Berlin Beatet Bestes

Unter Bloggern

Berlin Beatet Bestes. Folge 170. Dan Marshall: Born Loser (1969).

Im September habe ich ein paar hundert Links zu MP3 auf meinem Blog gelöscht, also die komplette Musik meines Musikblogs entfernt. Zum einen wollte ich noch nie ein permanentes Online-Archiv für seltsame Musik bereitstellen, es ging mir immer nur um die Geste des Veröffentlichens. Ich kaufe eine Platte auf dem Flohmarkt, finde heraus, dass sie seit 40 oder 50 Jahren nie wiederveröffentlicht wurde, digitalisiere sie und poste sie auf meinem Blog. So einfach ist das. Einmal wiederveröffentlicht, betrachte ich die Musik als aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht, und so kann sie meinetwegen ihr eigenes Leben in den endlosen Weiten des Internet führen. Die Beiläufigkeit allerdings, mit der Tausende von Besuchern meines Blog sich MP3 runterladen und wieder verschwinden, hat meinen Service irgendwie wertlos gemacht. Ich selbst höre Musik nicht auf dem Computer und habe gar keine Verwendung für MP3. Wahrscheinlich habe ich es an dieser Stelle schon öfter erwähnt, aber ich wiederhole es liebend gern noch einmal: Ich hasse MP3.
Die Diskussionen über das Urheberrecht und die Gema haben meinen Entschluss dann erleichtert. Das zähe Ringen um die kommerzielle Nutzung des Internet hat mir fast die Lust am Musikhören genommen. Dazu kam, dass Scott Soriano auf seinem Blog Crud Crud einen grundsätzlichen Artikel veröffentlichte, mit dem er sein Blog fürs Erste auf Eis legte. Crud Crud hatte mich vor fünf Jahren dazu inspiriert, selbst ein Blog zu betreiben. Natürlich gab es mir zu denken, dass Scott behauptete, wir seien für die Musikpiraterie mitverantwortlich. Blogs wie Crud Crud und Berlin Beatet Bestes seien zwar eher Kuratoren als Piraten, würden aber trotz ihrer sensiblen Herangehensweise eine theoretische Rechtfertigung für alle anderen Musikblogger liefern, massenhaft zu stehlen. Leider musste ich zugeben, dass er Recht hat. Da war es ein regelrecht befreiendes Gefühl, mit ein paar Mausklicks Hunderte von Megabytes zu zerstören. Danach war es still auf meinem Blog.
Eine Woche später habe ich wieder gebloggt. Und gestern habe ich eine Mail von Dan Marshall bekommen, dem Sohn von Dan Marshall, dem Feuerwehrmann aus Columbus, Ohio. Vor zwei Jahren fand ich dessen selbstveröffentlichte Single »Born Loser« in einem Berliner Trödelladen und schrieb hier auch gleich über die Platte. Dan fragte, ob ich ihm die nun nicht mehr herunterzuladenden MP3 schicken könne. Gern schickte ich sie ihm und er mir dafür eine herzzerreißende Version von »Lesson From a Rose«, der B-Seite der Single, die er zusammen mit seinem Bruder eingespielt hat. Dan lebt in Portland und ist auch Musiker. Sein Vater hat sich 1990 das Leben genommen. Eine späte selbsterfüllende Prophezeiung vielleicht, denn er sah sich auch im Leben als Verlierer. Sein Sohn ist da aus ganz anderem Holz geschnitzt. Er schreibt: Ich bin ein Survivor und ich werde nie aufgeben! Und ich werde nie aufgeben zu bloggen. MP3 sind super!