Die Debatte über den Einsatz von Kampfdrohnen

Das Drohnensterben geht weiter

In den USA und Europa wird eine stärkere Regulierung des Einsatzes von Drohnen und anderen unbemannten Waffensystemen diskutiert.

Zehn Jahre ist es her, dass eine US-amerikanische Drohne im Jemen erstmals für eine gezielte Tötung abseits eines regulären Schlachtfelds eingesetzt wurde. Für die Einsätze im Jemen seit 2002, in Pakistan seit 2004 und in Somalia seit 2007 war in den vergangenen Jahren der immer stärker militarisierte Geheimdienst CIA in einer intransparenten Arbeitsteilung mit dem Joint Special Operations Command, einer Kommandoeinrichtung der US-Streitkräfte, zuständig. Der als »dritter Krieg« neben Irak und Afghanistan titulierte Einsatz von Drohnen ist nicht zuletzt wegen der Weigerung der US-Regierungen, Informationen über Verlauf und Regeln der Einsätze zu veröffentlichen, in die Kritik geraten. Für Statistiken ist man bis heute auf nichtstaatliche Quellen wie das Long War Journal oder die Datenbank des Bureau of Investigative Journalism angewiesen.
Die stark voneinander abweichenden Zahlen zeigen aber nur, dass letztlich niemand weiß, wie viele Menschen einem Krieg zum Opfer gefallen sind, dessen Existenz bis Anfang des Jahres noch nicht einmal offiziell bestätigt worden war. Barack Obama hat sich gegen Ende seiner ersten Amtszeit als ein Präsident inszeniert, der hart, aber verantwortungsvoll gegen Terroristen vorgeht und jeden Dienstag persönlich die ihm vorgelegten Listen durchgeht und Tötungen genehmigt. Auch weil er dieses Maß an unregulierter Macht einem republikanischen Nachfolger nicht anvertrauen wollte, begann die Regierung vor den Wahlen, Kriterien und Verfahren für Tötungseinsätze durch Drohnen zu definieren. Das Regelwerk soll im Frühjahr 2013 veröffentlicht werden.

Ebenfalls für Anfang 2013 ist die Einrichtung eine UN-Sonderkommission in Genf zur Untersuchung des Drohnenkriegs angekündigt worden. Tatsächlich gibt es viele Hinweise darauf, dass der Drohnenkrieg wenig mit dem offiziellen Bild eines dank moderner Technik und Geheimdienstinformationen hochpräzisen, sauberen und effektiven Kampfes gegen Terroristen zu tun hat. Bei sogenannten signature strikes sollen nun nicht mehr ausschließlich im Vorhinein identifizierte Individuen aus der Luft getötet werden, sondern auch Menschen, die anhand gewisser Kriterien als verdächtig eingestuft werden. Das Bureau of Investigative Journalism berichtet über gezielte Angriffe auf Hilfskräfte nach einem Drohnenangriff – im Militärjargon »double tapping« – und auf Teilnehmer an Beerdigungen von Drohnenopfern. Zwei im September von renommierten US-Universitäten und Instituten vorgelegte Studien (livingunderdrones.org und civiliansinconflict.org) zeigen, dass die Auswirkungen des Drohnenkrieges auf die Zivilbevölkerung über »Kollateralschäden« hinausgehen. Aufgrund ihrer langen Flugzeit terror­isieren die Drohnen die Bevölkerung großer Gebiete dauerhaft mit Todesangst, die Folge sind tiefgreifende psychische und soziale Schäden. Und anders als bei regulären Militäreinsätzen ist für Tod und Zerstörung niemand verantwortlich, für die Geschädigten gibt es keine Klagemöglichkeit und keine Aussicht auf Schadensersatz. In der Washington Post kritisierte Ende Oktober mit Kurt Volker, Nato-Botschafter unter Präsident George W. Bush, nun auch ein prominenter Konservativer den Drohnenkrieg in seiner jetzigen Form als nicht nur unethisch, sondern auch kontraproduktiv, da er den Feinden der USA nur neue Argumente und Unterstützer verschaffe.
Selbst wenn der Drohnenkrieg bald nicht mehr so intransparent und unreguliert geführt wird, beendet wird er sicher nicht. In der derzeitigen Diskussion weitgehend unbeachtet, findet der größte Teil der Drohneneinsätze im Rahmen der regulären militärischen Mission in Afghanistan statt. Dass dort die Zahl der Einsätze in diesem Jahr auf etwa 33 pro Monat gestiegen ist, während das sonstige militärische Engagement abnimmt, verdeutlicht eine allgemeine Entwicklung: Die USA sind kriegsmüde und verschuldet, Obama versprach im Wahlkampf »nation-building at home«, eine Konzentration auf die Belange des eigenen Landes. Drohnen erscheinen als günstiger Ersatz für den mit hohen politischen, finanziellen und menschlichen Kosten verbundenen Einsatz von Bodentruppen.
In der Debatte um Drohnen und andere Kampfroboter wird immer wieder davor gewarnt, dass diese nicht nur ferngesteuert werden, sondern in stets wachsendem Ausmaß autonom agieren und töten können. Das International Committee for Robot Arms Control fordert seit 2009 Maßnahmen zur Rüstungsbeschränkung und am 19. November dieses Jahres veröffentlichte Human Rights Watch die Studie »Losing Humanity. The Case against Killer Robots«. Nur zwei Tage später veröffentlichte das US-Verteidigungsministerium Leitlinien zum Thema »Autonomie von Waffensystemen«. Von der ersten Entwicklungsphase bis zum tatsächlichen Einsatz sollen Waffensysteme einen »angemessenen Grad menschlicher Entscheidungskraft beim Einsatz von Gewalt« ermöglichen und benötigen. Kritiker sehen allerdings keinen Grund zur Entwarnung. »Was die Rüstungsspirale bei Militärrobotern in Richtung Autonomie vorantreibt, ist der Wettbewerb um die kürzeste ›sensor-to-shooter kill chain‹«, sagt Hans-Arthur Marsiske, Herausgeber des im Februar erschienenen Sammelbandes »Kriegsmaschinen. Roboter im Kriegseinsatz«, der Jungle World. »Es geht darum, von der Datenerfassung durch die Sensoren bis zur Aktion möglichst wenig Zeit verstreichen zu lassen. Diese Spirale wird sich durch einseitige Erklärungen nicht stoppen lassen, sondern nur durch internationale Abkommen auf möglichst breiter Grundlage.«
Auch in Europa gibt es Gründe genug, sich mit dem Thema Drohnen kritisch auseinanderzusetzen. So hat am Samstag ein Prototyp der »Neuron-Drohne« in Frankreich ihren ersten Flug erfolgreich durchgeführt. Die Drohne verfügt über Tarntechnologie, ist der US-Drohne »Reaper« technisch überlegen und wird federführend vom französischen Verteidigungsministerium und von Rüstungsunternehmen aus Frankreich, der Schweiz, Italien, Schweden, Spanien und Griechenland entwickelt. Der Pressemitteilung der Entwickler zufolge sollen Testflüge die Fähigkeit zur »Entdeckung, Lokalisierung und autonomen Ausspähung von Bodenzielen, ohne selbst entdeckt zu werden«, demonstrieren. Deutschland besitzt und entwickelt derzeit nur unbewaffnete Drohnen, doch ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bezeichnete die Anschaffung von Kampfdrohnen als »Zug der Entwicklung«, versprach aber, dass darüber »öffentlich diskutiert werden wird, wenn die Zeit dafür reif ist«.

Mit welch beschönigenden Argumenten in einer solchen Diskussion zu rechnen ist, zeigt ein Beispiel aus einem anderen europäischen Einsatzgebiet von Drohnen. Der Innenausschuss des EU-Parlaments beschloss am 27. November »Maßnahmen zum Beobachten, Aufspüren, Identifizieren, Verfolgen und Verhindern illegaler Grenzübertritte«. Drohnen sind fester Teil des »Eurosur«-Programms der EU und sollen unter anderem ermöglichen, dass Flüchtlingsschiffe schon vor dem Ablegen identifiziert und gestoppt werden. Jedoch wurde die Rettung von Flüchtlingen, die Schiffbruch erleiden, zum Aufgabengebiet von Eurosur hinzugefügt. Ska Keller, Abgeordnete der Grünen im Europarlament, kritisiert, der Innenausschuss habe dem Programm zwar eine »humanitäre Dimension« gegeben, doch ändere das nichts an der »generellen Stoßrichtung von Eurosur«. Mit der geplanten Überwachung der EU-Grenzen durch Drohnen und Satelliten werde »die EU zu einer elektronischen Festung gegen Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge ausgebaut«. Ab Oktober 2013 geschieht dies möglicherweise ganz ohne »humanitäre Dimension«, denn die Zustimmung der EU-Kommission zu der Ergänzung ist ungewiss.