Die Vorwahlen bei der Demokratischen Partei in Italien

Sparen mit sozialem Antlitz

In Italien hat bei den Vorwahlen der Demokratischen Partei der linke Kandidat gewonnen. Eine Ablösung der Regierung Mario Montis bei den Parlamentswahlen im März ist aber unwahrscheinlich.

Pier Luigi Bersani hat die Vorwahl zum Spitzenkandidaten des Partito Democratico (PD) gewonnen. Dass es dem Vorsitzenden gelingt, bei den italienischen Parlamentswahlen im Frühjahr ein Mitte-Links-Bündnis zum Sieg zu führen und Mario Monti als Ministerpräsident abzulösen, ist jedoch längst nicht so sicher, wie seine euphorische Anhängerschaft seit Sonntag glauben machen will. Nach aktuellen Wahlprognosen würde der PD mit über 30 Prozent der Stimmen zwar stärkste Partei, doch dies wäre nicht genug für eine eigene Regierungsmehrheit. Die Vorwahl für das Amt des demokratischen Spitzenkandidaten wurde deshalb auch als Vorentscheid für eine mögliche Regierungskoalition betrachtet.

Bersani gehört zum linken Parteiflügel der Demokraten. Als Parteivorsitzender verständigte er sich bereits einige Wochen vor der Urabstimmung mit der kleinen Gruppe italienischer Sozialisten und der von Nichi Vendola geführten linken Partei Sinistra Ecologia e Liberta in einer gemeinsamen »Absichtserklärung« mit dem Titel »Gemeingut Italien« über eine Zusammenarbeit. Demnach soll Montis Renten- und Arbeitsreform nicht rückgängig gemacht, wohl aber sozialverträglicher gestaltet werden. Außerdem verbindet sich mit dem Projekt die Hoffnung, gemeinsam mit anderen europäischen Sozialisten und Sozialdemokraten die rigide Sparpolitik in eine europäische Sozialpolitik zu verwandeln.
Am Sonntag konnte Bersani mit dieser sozialdemokratischen Programmatik die Stichwahlen gegen seinen parteiinternen Herausforderer Matteo Renzi mit 61 Prozent der Stimmen für sich entscheiden. Der 37jährige Renzi ist Bürgermeister von Florenz und war zunächst mit der simplen Forderung nach einer »Verschrottung« der alten Parteinomenklatur aufgetreten. Erst infolge des vermeintlichen Linksrucks des Vorsitzenden präsentierte sich Renzi als Gegenkandidat des liberalen Parteiflügels. Die sogenannten moderaten Demokraten wünschen sich eine Fortsetzung der Regierungspolitik Montis in einer Koalition mit den christlich-konservativen Parteien. Mit seinem Wahlkampfslogan »Adesso!« (Jetzt!) untermauerte Renzi seinen Anspruch, dass die altgedienten Parteipolitiker die Verantwortung an seine Generation abgeben sollten. Seine freche Aufmüpfigkeit gefiel auch dem politischen Gegner.
Renzi erschien im Laufe des Vorwahlkampfs immer mehr als rechter Gegenkandidat zu Ber­sani. Verschiedene Umfrageinstitute prognostizierten, dass er als PD-Spitzenkandidat viele enttäuschte Wähler des Mitte-Rechts-Lagers für sich gewinnen könnte und damit die Chancen für die Demokraten, bei den anstehenden Parlamentswahlen einen glatten Sieg zu erringen, steigen würden. Die PD-Wählerschaft entschied sich dennoch überraschend deutlich gegen diese in Aussicht gestellte liberale Regierungsoption. Renzi gestand seine Niederlage ein und sicherte dem siegreichen Parteivorsitzenden seine Loya­lität im anstehenden Wahlkampf zu. Doch noch ist nicht absehbar, ob es Bersani gelingen wird, den ehrgeizigen Newcomer in seine »Regierungsmannschaft« zu integrieren. Der liberale Parteiflügel kann immerhin auf 40 Prozent der Mitte-Links-Wähler zählen und könnte versucht sein, mit Renzi eine starke parteiinterne Opposition gegen Bersanis sozialdemokratische Regierungspläne zu organisieren.

Dass sich trotz des nasskalten Novemberwetters an den beiden Wahlgängen der Urabstimmung jeweils drei Millionen Menschen beteiligten, nachdem zuletzt bei Kommunal- und Regionalwahlen der Anteil der Nichtwähler stets fast 50 Prozent betragen hatte, wurde allgemein als deutliche Absage an eine Fortsetzung der Regierung Monti gewertet. Doch vier Monate vor dem Ende der laufenden Legislaturperiode zeichnet sich noch immer keine Einigung in den Verhandlungen über eine Wahlrechtsreform ab. Sollte deshalb noch einmal nach dem derzeit gültigen Wahlrecht gewählt werden, drohen unklare Mehrheitsverhältnisse und die Regierungsunfähigkeit. Damit Bersani eine stabile Regierung bilden kann, müsste der PD insgesamt noch deutlich mehr Stimmen für sich gewinnen.
Stattdessen deutet sich einmal mehr eine Zersplitterung der linken Wählerschaft an. Vielen Wählerinnen und Wählern greift Bersanis Konzept einer strengen Haushaltspolitik mit sozialem Antlitz zu kurz. Auch Vendolas Strategie, sich am ersten Wahlgang der Vorwahlen zu beteiligen, um in der Zusammenarbeit mit den Demokraten den Schwerpunkt einer zukünftigen Koalition nach links zu verlagern, konnte viele Linke nicht überzeugen. Nachdem er einst als Hoffnungsträger einer neuen, vereinten Linken angetreten war, kam Vendola nur auf 15 Prozent der Stimmen. Seinem Aufruf, im zweiten Wahlgang für Bersani oder wenigstens gegen Renzi zu stimmen, folgten noch weniger Menschen.
Für alle, die sich weder von der politischen Linken verabschieden noch der populistischen »Fünf-Sterne-Bewegung« des ehemaligen TV-Komikers Beppe Grillo anschließen wollen, konstituierte sich am Wochenende in Rom ein »orangenes Bündnis« aus sozialen Bewegungen, linksradikalen Splitterparteien und verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppierungen. Die linke Sammelbewegung will versuchen, eine eigene Wahlliste aufzustellen, um eine Alternative zu Grillos vulgärem Populismus und Vendolas sozialdemokratischer Kompromissbereitschaft anzubieten. Allerdings wurde in der Diskussion der Vollversammlung deutlich, dass sich diese strikte Abgrenzung auf lokaler Ebene nicht durchhalten lässt und deshalb auf nationaler Ebene die radikale Opposition gegenüber einer sozialdemokratischen Koalition kaum zu vermitteln wäre.
Je unsicherer die Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl, desto wahrscheinlicher werden sich die liberalen Demokraten gegen den Willen des linken Parteiflügels mit den liberalen Gruppierungen des Mitte-Rechts-Lagers auf eine Fortsetzung der Regierung Monti verständigen. Nicht zufällig bekundete der amtierende Ministerpräsident in diesen Tagen wiederholt, für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen.