Die französische Intervention in Mali

In die Wüste geschickt

Die Intervention in Mali hat bislang weder dort noch in Frankreich großen Widerspruch hervorgerufen. Doch sie birgt Risiken.

Übereifer ist selten ein guter Ratgeber. Dies musste ein bislang noch nicht identifizierter franzö­sischer Soldat erfahren, der an der Militärintervention im westafrikanischen Mali beteiligt ist. Am Montag gaben Aufnahmen des AFP-Fotografen Issouf Sanogo Anlass zu einer Debatte in Frankreich. Sie zeigen einen französischen Soldaten, der mit einer Totenkopfmaske auf dem Gesicht vorrückt. »Dieses Verhalten ist inakzeptabel«, sagte Thierry Burkhard, der Sprecher des französischen Generalstabs.
Seit dem 11. Januar unternimmt Frankreich im Rahmen der »Opération Serval« Luftangriffe auf die Islamisten im Zentrum und im Norden Malis. Am ersten Tag wurde dabei der französische Pilot Daniel Boiteux beim Beschuss seines Hubschraubers getötet, was in Frankreich Anlass zu Befürchtungen gab, die Jihadisten könnten Luftabwehr­raketen besitzen. Das hat sich bislang jedoch nicht bestätigt. Inzwischen hat auch eine Bodenoffen­sive begonnen, für die etwa 2 000 französische Soldaten von Militärbasen, Stützpunkten und Ausbildungszentren im Tschad, in Burkina Faso und in Mauretanien eingeflogen wurden. Von den ursprünglich für den Einsatz vorgesehenen westafrikanischen Truppen sind erst etwa 100 Soldaten eingetroffen.

Neben dem politischen Beweggrund, eine Destabilisierung der Sahelzone durch Bildung eines jihadistischen Operationszentrums zu verhindern, spielt sicherlich auch der Wunsch der französischen Staatsführung eine Rolle, den eigenen Einfluss in der Region zu stärken. Simple Erklärungen wie die Behauptung, es gehe um Uranminen im benachbarten Niger, oder der obligatorische Hinweis auf die Verwendung von Uranmunition greifen dennoch zu kurz.
Die Wochenzeitung Le Canard enchaîné zitierte Aussagen des französischen Präsidenten François Hollande anlässlich seines Aufenthalts auf der französischen Militärbasis in Abu Dhabi am 14. Januar, die ebenfalls Auskunft über ein Motiv geben könnten. Hollande sprach die am Golf stationierten Offiziere als Werber für Rüstungsgeschäfte an: »Es kann sein, dass wir Ihre Rafale (französische Kampfflugzeuge, Anm. d. Red.) in Mali benötigen. Zeigen Sie ihnen alle Vorzüge der Rafale (…) Auch dies ist ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Mission: zu zeigen, dass das französische Rüstungsmaterial zu den leistungsfähigsten zählt. Danke für Ihre doppelte Mission: gleichzeitig operativ und geschäftlich.«
Bislang herrscht eine häufig sogar begeisterte Zustimmung unter vielen Malierinnen und Maliern, augenscheinlich auch unter den in Frankreich Lebenden, zu der Intervention. Im Vergleich zur jihadistischen Herrschaft mit Beil und Peitsche wird sie sehr oft als kleineres Übel betrachtet, auch wenn viele Malier hinzufügen, die neokolonialen Ziele Frankreichs kritisch zu sehen. Wie lange diese Zustimmung anhält, wird vom weiteren Verlauf der Ereignisse auf militärischer und politischer Ebene abhängen.

Bislang wird um Kleinstädte in der Nähe der ehemaligen Waffenstillstandslinie gekämpft, der Vormarsch in den Norden hat noch nicht begonnen. Die Risiken zeigte jedoch bereits der Überfall auf eine Erdgasanlage in Algerien, zu dem sich Mokhtar Belmokhtar, ein von Nordmali aus operierende algerischer Jihadistenführer, bekannte. Mindestens 37 ausländische Beschäftigte und ein algerischer Arbeiter wurden getötet, ebenso die meisten der etwa 30 Angreifer. Die logistisch anspruchsvolle Operation war offensichtlich langfristig vorbereitet worden und deutet darauf hin, dass die Drohung der Jihadisten, auf eine Intervention mit Anschlägen außerhalb Nordmalis zu reagieren, ernst zu nehmen ist.
Doch auch in der französischen Bevölkerung überwiegt bislang die Zustimmung, in verschiedenen Umfragen erklären jeweils rund 60 Prozent ihr Einverständnis mit dem Militäreinsatz. Zu Anfang stimmten fast alle Parteien und politischen Gruppen der Intervention im Prinzip zu, mit Ausnahme der radikalen Linken und der Initiativen gegen den französischen Neokolonialismus. Letztere, die keine Sympathie für die jihadistischen Banden hegen, kritisieren, dass Frankreich seine traditionelle Stellung in der Region zu festigen und neu zu legitimieren suche. Die Befreiung Nordmalis erklären sie zur Aufgabe malischer oder afrikanischer Truppen.
Hingegen fielen die Reaktionen der »Linksfront« – eines Zusammenschlusses der französischen KP und einer linken Abspaltung der So­zialdemokratie – ambivalenter aus. Ihr Präsidentschaftskandidat aus dem vergangenen Jahr, Jean-Luc Mélenchon, sagte in einer ersten Stellungnahme, die Operation in Mali sei »diskutabel«. Allerdings kritisierte er die Regierung dafür, dass sie das Parlament nicht vorab konsultiert und ihn über ihre Pläne nicht informiert habe. Der KP-Abgeordnete François Asensi sagte in der Parlamentssitzung: »Wir unterstützen die Orientierung unserer Diplomatie«, kritisierte aber ebenfalls den Mangel an politischer Konsultation.
Gespalten erscheinen die französischen Grünen und ihre linksliberalen Bündnispartner von der gemeinsamen Wahlplattform Europe Écologie. Der wirtschaftsliberale Europaabgeordnete, Daniel Cohn-Bendit, der derzeit mit den französischen Grünen verkracht ist, unterstützte vorbehaltlos die französische Intervention, forderte jedoch eine stärkere Beteiligung anderer europäischer Mächte. Ähnlich äußerte der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer. Dagegen kritisierte der frühere TV-Journalist und Präsidentschaftskandidat der französischen Grünen im Jahr 2002, Noël Mamère, relativ früh die Intervention. Er nannte ihre offizielle Begründung am 15. Januar »Propaganda« von Militär und Regierung.
Anhaltende Diskussionen bei den französischen Grünen führten zur Annahme einer Erklärung ihres »interregionalen Ratschlags« – eine Art kleiner Parteitag – am Wochenende. Darin wird der französische Militäreinsatz ausdrücklich »begrüßt«, aber eine stärkere Beteiligung der EU verlangt. Zudem wird die französische Regierung aufgefordert, »sich jeder aggressiven, kriegerischen Terminologie zu enthalten«.

Zum ersten Mal seit über 20 Jahren findet eine offiziell für humanitäre Interessen – die Befreiung Malis von den Jihadisten – geführte Militäroperation auch die offene Unterstützung der extremen Rechten des Landes. Deren wichtigste Partei, der Front National (FN), sprach ihre Unterstützung aus. Marine Le Pen beurteilte die Intervention am 12. Januar als »legitim«. Die Kriege im Irak in den Jahren 1991 – mit französischer Beteiligung – und 2003, den Nato-Angriff auf Serbien von 1999 und den französischen Militäreinsatz in Libyen 2011 hatte der FN vehement abgelehnt. Wertvolles französisches Blut solle weder für fremde Interessen der USA oder der Islamisten, denen die Interventionen angeblich allein halfen, noch für »utopische« Ziele wie eine Demokratisierung dieser Länder geopfert werden.
Unterdessen wächst jedoch auch die Kritik, jedenfalls an einzelnen Punkten. Die bürgerliche Rechtsopposition verstärkt ihre Mäkeleien, die allerdings nur die Ausführung der Operation betreffen. Ausgerechnet der frühere konservative Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing, der in seiner Amtszeit von 1974 bis 1981 mit vielen afrikanischen Diktatoren kungelte und zu ihner Unterstützung auch mal die Fremdenlegion schickte, warnte explizit vor »dem Risiko einer neokolonialen Aktion Frankreichs«. Solchen Kritikern dürfte es jedoch eher darum gehen, der sozialdemokratischen Regierung Ungeschick bei der Vertretung nationaler Interessen vorzuwerfen.