Vertreter islamistischer Regierungen werden in Berlin gern empfangen

Eine ordentliche Diktatur

Vertreter islamistischer Regierungen geben sich in Berlin dieser Tage die Klinke in die Hand.

Einen Tag vor dem Besuch des ägyptischen Präsidenten und Muslimbruders Mohammed Mursi weilte ein anderer hochrangiger Gast aus Nordafrika, nämlich Ali Ahmed Karti, in Berlin. Der sudanesische Außenminister nahm an einer vom Auswärtigen Amt organisierten Wirtschaftskonferenz teil. Kritische Worte fielen dabei keine, obwohl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir beim Internationalen Strafgerichtshof eine Klage wegen Völkermordes in Dafur anhängig ist. Statt Karti auf die chronischen Menschenrechtsverletzungen, die staatlich geförderte antisemitische Propaganda oder die allzu engen, auch militärischen, Beziehungen anzusprechen, die der Sudan mit dem Iran pflegt, ­erklärte ihm der deutsche Außenminister: »Wir wissen, dass es auch zwischen uns und zwischen Ihnen unterschiedliche, zum Teil kontroverse Auffassungen und Ansichten gibt. Der Weg, diese Kontroversen zu lösen, führt aber über den Dialog (…) und das Gespräch.«
Kontroverse Anschauungen, Dialog, Austausch und Kooperation. Das sind die üblichen, seit Jahren nur allzu bekannten Floskeln, deren sich das diplomatische Berlin zu bedienen pflegt, wenn hochrangige Autokraten aus dem Nahen Osten oder Nordafrika zu Besuch kommen.
Insofern ist auch der Unmut ein wenig nachvollziehbar, mit dem Mohammed Mursi auf Kritik reagierte, die Politiker und Medien bei seinem Kurzbesuch in Berlin an seiner Regierung übten. Als er entnervt erwiderte, Deutschland habe schließlich jahrelang Diktaturen in der Region gestützt, konnte man dem nur schwerlich widersprechen. Auch herrschen in Ägypten, zumindest verglichen mit dem Sudan, dem Iran oder Syrien, erträgliche Verhältnisse. Bei Massendemonstrationen gegen die Regierung hätte es in Khartum oder Teheran wohl nicht, wie dieser Tage in Ägypten, ein paar Dutzend, sondern gleich Hunderte von Toten gegeben, und immerhin kann Mursi für sich auch reklamieren, in ­einigermaßen freien Wahlen zu Amt und Würden gekommen zu sein.
Ganz ungewohnterweise empörte man sich diesmal in Deutschland sogar über antisemitische Äußerungen eines Nahostherrschers. So wurde der ägyptische Präsident gleich mehrmals auf ein Interview mit dem Hizbollah-Sender al-Manar aus dem Jahr 2010 angesprochen, in dem er ­Juden als »Abkömmlinge von Affen und Schweinen« bezeichnet und den »bewaffneten Widerstand gegen das zionistische Gebilde« gelobt hatte. Dabei hatte er damals lediglich die offizielle politische Linie der Muslimbrüder vertreten, einer Organisation, die Guido Westerwelle inzwischen zu den »moderaten Islamisten« zählt. Der syrische Präsident Bashar al-Assad dagegen brauchte sich bei seinem jüngsten Staatsbesuch in Deutschland keinerlei Kritik anzuhören, obwohl er noch kurz zuvor öffentlich erklärt hatte, alle Israelis seien Nazis.
Ali Ahmed Karti kehrt also nicht nur mit neuen lukrativen Verträgen im Gepäck in den Sudan zurück, sondern auch mit der Erkenntnis, dass man in Deutschland nur als Vertreter einer ordentlichen Diktatur noch mit gebührendem Respekt behandelt wird. Ob er am Berliner Flughafen wohl noch seinem Kollegen, dem iranischen Außenminister Ali Akbar Salehi, begegnet ist, der gerade zu seiner alljährlichen Deutschlandvisite eintraf?