Ein besetztes Museum in Rio de Janeiro

Höchstens als Ausstellungstücke erwünscht

In Rio de Janeiro konnte der Abriss eines von Indigenen besetzten ehemaligen Museums verhindert werden. Doch den Besetzern drohen hohe Bußgelder.

»Indios in der Stadt?« fragt der Taxifahrer spöttisch. »Alles was ihr hier finden werdet, sind ein paar Eindringlinge und linke Krawallmacher, die uns die Fußball-WM vermiesen wollen.« Kopfschüttelnd lässt er uns vor dem Gittertor einer dunklen Stadtvilla aus dem Jahr 1862, dem einstigen Museu do Índio (»Indianermuseum«), aussteigen. Dahinter steht Brasiliens berühmtes Fußballstadion Maracanã, das gerade generalüberholt wird. Doch nicht nur im Stadion wird gebaut, viele umliegende Gebäude und alles, was der Weltmeisterschaft 2014 und den zu erwartenden Touristenströmen im Weg stehen könnte, soll verschwinden. 2011 hatte die Regierung des Bundesstaats Rio de Janeiro angekündigt, das ehemalige Museu do Índio durch einen Parkplatz und ein Einkaufszentrum zu ersetzen.
2006 hatten sich etwa 150 Indigene jenen Ort angeeignet, der seit 1977 leerstand und in dem einst nur Vitrinen und Schautafeln ihre Geschichte erzählten. Nun campieren Dutzende Aktivistinnen und Aktivisten in den fensterlosen Sälen im Erdgeschoss des Museums. »Wir unterstützen die Indigenen, nachdem die Militärpolizei am 12. Januar versucht hat, das Gebäude zu räumen«, erzählt ein junger Punk, der den Eingang kontrolliert. »Ohne die Indigenen wäre das Gebäude hier sicher längst völlig verrottet,« meint Bruna*, die bereits bei der Besetzung vor sieben Jahren dabei war. Damals sei hier alles voller Schutt gewesen, zerbrochenes Glas auf den Fluren, der Garten voller Müll, erinnert sie sich. Heute säumen Beete neu gebaute Lehmhütten im Garten, in denen 23 Familien wohnen, die diesen Ort längst als ihre Aldeia Maracanã, ihr Dorf, bezeichnen. »Es ist aber auch ein Anlaufpunkt für viele Indigene aus anderen Bundesstaaten oder Ländern, die hier verweilen, um zum Beispiel ihre Waren in der Stadt zu verkaufen«, sagt Bruna. Auch vor dem ehemaligen Museum werden Schmuck, Kleidung und Instrumente verkauft.
Lange Zeit interessierten sich weder die ehemalige Nutzerin des Gebäudes, die Bundesbehörde für Indigene (Funai), noch andere öffentliche Institutionen für das besetzte Gebäude. Doch je näher die WM rückt, umso mehr steigt der Druck. Der Gouverneur von Rio de Janeiro, Sérgio Cabral, nahm für den erweiterten Umbau des Stadions einen umstrittenen Kredit in Höhe von 100 Millionen Euro auf, angeblich um den Kriterien des Fußballweltverbands Fifa zu genügen. Finanziert und gerechtfertigt werden sollte auf diese Weise auch der Abriss des Museums. Doch nachdem die Fifa öffentlich bestritten hat, den Abriss gefordert zu haben, ist Cabral in Erklärungsnot.

Am 28. Januar gab er nun bekannt, das Gebäude nicht abzureißen, aber nur deshalb, weil Studien gezeigt hätten, dass sein Erhalt dem Publikumsverkehr der WM nicht im Weg stehe. Der Nachrichtenagentur Pulsar Brasil zufolge sehen die Pläne der Regierung nicht länger eine Umsiedlung der Indigenen vor, die diese stets abgelehnt haben, sondern ihnen drohen nun Bußgelder von umgerechnet 20 Millionen Euro. Die Botschaft ist deutlich: Ja zum Erhalt eines historischen Baudenkmals, Nein zu einem Ort, der den Alltag und die Kultur der schätzungsweise 35 000 in Rio de Janeiro lebenden Indigenen sichtbar macht. Die Funai, die bei einem solchen Konflikt eigentlich als Mediatorin gefragt wäre, lehnt es ab, »individuelle Forderungen von Indigenen zu bearbeiten«.
Dauá Puri, ein Bewohner der Aldeia Maracanã, lächelt müde, wenn er solche Äußerungen hört. »Dieser Ort wurde dem Staat ursprünglich unter der Bedingung geschenkt, dass er den Interessen der Indigenen dient«, sagt er. »Auch viele Juristen sehen unseren Anspruch auf das Gebäude deshalb als begründet an. Die Regierenden haben es in der Hand, sich mit dem Erhalt der Aldeia Maracanã pünktlich zur WM als ein Land zu präsentieren, dass die Rechte und Forderungen seiner Indigenen ernst nimmt. Das wäre mehr Werbung als Wahrheit, aber trotzdem eine Geste, bei der alle gewinnen könnten.«

* Name von der Redaktion geändert