Das Gesetz zur Regulierung des Hochfrequenzhandels

Money left to burn

Der Bundestag hat ein Gesetz zur Regulierung des Hochfrequenzhandels beschlossen. Nutzen und Effektivität des Gesetzes sind fraglich, aber genau das scheint auch gewollt zu sein.

Beim Kampf gegen die nächste Krise kommt Deutschland voran –diesen Eindruck will die Koalition erwecken. Nachdem mit ihren Stimmen der Gesetzentwurf zur »Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel« im Bundestag verabschiedet worden war, sprach der verantwortliche Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Hartmut Koschyk (CSU), von einem »weiteren wichtigen Baustein in der Brandmauer, die uns vor künftigen Finanzkrisen wirksamer als in der Vergangenheit schützen soll«. Der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wollte gar Historisches in der Verabschiedung entdecken. »Wir sind die Ersten weltweit, die dieses Thema überhaupt anpacken«, sagte Klaus-Peter Flosbach, der, um wenigstens noch ein bisschen Wahlkampfleidenschaft zu entfachen, der SPD vorwarf, auch mal elf Jahre den Finanzminister gestellt und in diesem Sektor nichts getan zu haben. Etwas weniger euphorisch waren die Kommentare des Koalitionspartners, der sich lange gegen eine Regulierung gewehrt hatte. Von einem »Ordnungsrahmen, dem man zustimmen kann«, sprach Björn Sänger, der für die FDP im Finanzausschuss sitzt.
Der Hochfrequenzhandel, bei dem durch auf Algorithmen basierende Computerprogramme in Sekundenbruchteilen verschiedenste Wertpapiere ge- und verkauft werden, um Mikrogewinne im Promillebereich einzustreichen, die sich langfristig zu gigantischen Summen aufhäufen können, ist seit dem 6. Mai 2010 immer wieder in die Schlagzeilen gelangt. Damals hatten durch einen »Flash Crash« einige Aktien mehr als 90 Prozent ihres Wertes eingebüßt, ohne dass vorher irgendwelche Anzeichen darauf hingedeutet hätten, da der Hochfrequenzhandel eben nicht auf betriebswirtschaftlichen Vorhersagen basiert. Um neun Prozent war der Dow-Jones-Index an diesem Tag abgesackt – doppelt so stark wie nach der Pleite von Lehman Brothers.
Mittlerweile soll der Hochfrequenzhandel nach Schätzungen vieler Experten in den USA etwa 70 Prozent und in Europa mindestens 40 Prozent des gesamten Börsenumsatzes ausmachen. Da verwundert es auch kaum, dass Computerstandorte in unmittelbarer Nähe zu den Servern der Börsen derzeit zu unerschwinglichen Preisen gehandelt werden, um gegenüber der Konkurrenz Sekundenbruchteile gutzumachen.

Dass nun das erste Gesetz zur Regulation des Hochfrequenzhandels ausgerechnet in Deutschland mit seiner starken industriellen Basis verabschiedet wurde, ist kein Zufall. Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Bremer Landesbank, brachte gegenüber der »Tagesschau« die Zielsetzung auf den Punkt. Man müsse »die globalen Finanzmärkte entschleunigen, damit der Finanzsektor wieder eine dienende Funktion für die Realwirtschaft übernimmt«, sagte Hellmeyer. In Zukunft hoffe er auf eine »Demut bei den Großbanken« gegenüber den Unternehmen.
Ganz so schlimm wird es für die Banken aber nicht kommen, denn dass der FDP die Zustimmung letztlich leichtfiel, könnte daran liegen, dass das Gesetz praktisch nichts bewirken wird. Zukünftig soll die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) darüber wachen, dass der Hochfrequenzhandel nicht zu extremen und irrationalen Kursschwankungen ohne jeden Bezug zu realwirtschaftlichen Entwicklungen führt, wie es in der Begründung des Gesetzes heißt. Auch die gängige Praxis, Käufe zu signalisieren und dann wieder zu revidieren – nach Berichten von beteiligten Händlern sollen diese Manipulationen mindestens 80 Prozent der Geschäfte ausmachen –, soll nach dem Willen der Verfasser des Gesetzentwurfs beschränkt werden. Diese »Handelspraktiken, welche ohne Handelsabsicht getätigt werden, um das Funktionieren der Handelssysteme zu stören oder zu verzögern oder andere Handelsteilnehmer zu täuschen«, sollen zukünftig von den Börsen bei exzessiver Nutzung durch einzelne Händler mit höheren Gebühren sank­tioniert werden. Beide Bestimmungen sind allerdings so schwammig formuliert, dass die Finanzbranche nichts zu befürchten haben dürfte, ­solange sie die deutsche Exportindustrie nicht verärgert.

Grundsätzlich andere Absichten hegt auch die Opposition nicht. Ins Zentrum ihrer Kritik stellten die Fraktionen von SPD und Grünen, die dem Gesetz die Zustimmung verweigerten, dass die Maßnahmen nicht zur Entschleunigung des Handels beitrügen, wie es der SPD-Abgeordnete Carsten Sieling formulierte. Zudem fordern beide Parteien weiterhin, dass nicht die Börsen und Händler für die Kontrollen und Sanktionen zuständig sein sollten, sondern die Bafin diese Aufgabe übernehmen und – wie es auch das Europäische Parlament fordert – eine Mindesthaltefrist von 500 Millisekunden vor dem Weiterverkauf vorgeschrieben sein müsse. Gegen die Befürchtung der Koalition, dass dies zu einer Vertreibung des Hochfrequenzhandels und damit relevanter Kapitalströme aus Deutschland beitragen könne, wenden vor allem SPD und Grüne ein, dass mittelständische Unternehmen »von dem ganzen Hochfrequenzhandel gar nichts« hätten, wie Gerhard Schick (Grüne) in der Debatte anmerkte.
Auf ein Verbot dieser Art des Handels, wie es der finanzpolitische Sprecher der Fraktion der Linkspartei, Axel Troost, zumindest ursprünglich gefordert hatte, wollen aber weder SPD noch Grüne setzen. Wozu auch? Angesichts der fehlenden profitablen Anlagemöglichkeiten für große Teile des weltweit verfügbaren Kapitals in produktiven Bereichen ist es schließlich egal, wo die nächste Blase platzt. »Nächster Einbruch ist programmiert«, betitelte das Manager Magazin seinen Artikel zum Thema, als ob es dazu eine Alternative gäbe. Wirklich neu ist allerdings, in welch kurzer Zeit die im Kapitalismus zyklisch immer wieder notwendigen Entwertungen von Kapital ermöglicht werden.