Das neue Leistungschutzgesetz

Nicht der Messias

Das neue Leistungsschutzgesetz schützt weder Leistungen, noch bringt es Rechts­sicherheit.

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, heißt es, und doch haben zwei Informationsanbieter, der global agierende Konzern Google und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), sich in den vergangenen Monaten heftig bekämpft. Google und andere Suchmaschinen nämlich verweisen auf Nachrichten und Reportagen in Zeitungen, indem sie neben dem Link die Schlagzeile sowie einen kurzen Textausschnitt, einen sogenannten »Snippet«, präsentieren.
Auf diese Weise bringt Google den Internetausgaben der Zeitungen bis zu 50 Prozent ihrer Leserinnen und Leser. Das bestreitet auch der BDZV nicht, doch sieht er sich um Einnahmen geprellt, denn Google benutze den von Zeitungen erstellten Inhalt, um Geld zu verdienen. An diesen Werbeeinnahmen, die etwa die Seite »Google News« einbringt, will die Zeitungslobby teilhaben. Daher setzte sie sich für ein sogenanntes Leistungsschutzgesetz ein, das am Freitag voriger Woche von der schwarz-gelben Koalition dann auch verabschiedet wurde. Die zu schützende Leistung ist dabei die Erstellung der Nachricht. Der Einwand, dass schon jetzt das Urheberrecht völlig aussreiche, um Texte zu schützen, wurde ebenso ignoriert wie der Hinweis, man könne seine Seiten ja gegen den Zugriff von Google sperren.
Vor der Verabschiedung gab es eine überaus emotional geführte Debatte. Dass diese weitab von der großen Öffentlichkeit stattfand, lag vor allem daran, dass sich die meisten Medien in ihrer Berichterstattung sehr zurückhielten und den Gegnern dieses Gesetzes kaum ein Forum boten.
So hat auch fast niemand erfahren, dass kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes der Text desselben noch geändert wurde. Nun fallen »einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte« doch nicht »unter das Schutzgut des Leistungsschutzrechtes«, was bedeutet, dass Snippets erlaubt bleiben und Gerichte zu klären haben, was genau »einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte« sind.
Ist also ein restlos sinnfreies Gesetz verabschiedet worden, das dort, wo es greifen würde, ohnehin dem Urheberrecht entspricht? Leider nein. Ein Gesetz kann, einmal verabschiedet, immer wieder verschärft werden. So war das Murren der Medienkonzerne auch recht leise. Man weiß, dass man an dem Gesetz noch herumdoktern wird, wenn nicht jetzt, dann halt bald.
Und Google? Der Konzern schafft es leider, von der Dummheit der Politik und der Zeitungsverlage zu profitieren. Mit der Kampagne »Verteidige Dein Netz« hat es Google geschafft, seine eigenen Geschäftsinteressen zu verschleiern und von Netzfreiheit zu reden, wo keine gegeben ist. Google attackiert seit Jahren weltweit das Urheberrecht und ist nicht daran interessiert, irgendwem Geld für Kunst zu zahlen. Die Widerwilligkeit, mit der Google über die Honorierung von verwaisten Werken verhandelt, die Bösartigkeit, mit der der Konzern Werkinteressen von Künstlerinnen und Künstlern ignoriert – etwa wenn diese frühere Werke nicht mehr publiziert sehen wollen –, und die Art und Weise, wie sich das Unternehmen zum Netzmessias macht, sind einfach nur widerlich. Dass Google auch diesen Kampf für sich entschieden hat, ist also kein Grund zur Freude. Es zeigt nur, wer die bessere Lobbyarbeit macht. Netzfreiheit wurde nicht gewonnen, Sicherheit für die Urheberinnen und Urheber ebenso wenig. Rechtsunsicherheit dagegen schon.