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Im Nachhinein weiß man es immer besser. Zum Beispiel wissen wir jetzt, dass Lisa Kränzler, Autorin des Buches »Nachhinein«, das im von uns hochgeschätzten Verbrecher-Verlag erschienen ist und für den diesjährigen Preis der Leipziger Buchmesse in der Rubrik Belletristik nominiert war, diesen Preis leider nicht erhalten hat. Dabei ist ihr Roman, obwohl er nach Aussage der Jury »die großen existentiellen und moralischen Dimensionen von Liebe und Lust, von Schuld und Verrat thematisiert«, tatsächlich ein durch und durch gelungenes, sprachmächtiges Werk. Sprachmächtiger offenbar als die Jury, die der jungen Autorin attestierte, einen »Uptempo-Existentialismus im coming-of-age-Roman« hingelegt zu haben. Erhalten hat den Preis stattdessen David Wagner für sein bei Rowohlt erschienenes Werk »Leben«. Das ist sicher auch gut, wir wollen uns gar nicht beschweren. Zumal es die existentiellen und moralischen Dimensionen von Liebe und Lust bestimmt ebenfalls thematisiert, die kommen ja seit einiger Zeit in fast jedem Buch vor. Abgesehen von preispolitischen Neuigkeiten konnten uns die Kollegen von der Geschäftsführung, die die Jungle World auf der Buchmesse repräsentiert haben, aber nicht allzu viel Spannendes berichten. Man habe sich wie üblich, umstellt von Zeitungsstapeln und bedrängt von Interessenten, in einer jener kleinen »Leseinseln« zusammengedrängt, die in Leipzig für linke Kleinverlage zur Verfügung gestellt werden. Ziemlich entgeistert habe man zur Kenntnis genommen, wie viele als Mangafiguren verkleidete Kinder und Jugendliche sich auf der Messe herumtrieben, die offensichtlich mit irgendwelchen PR-Aufgaben betreut gewesen seien. Auch die Bürger der Stadt, die dem Motto »Leipzig liest« gefolgt und zu diversen Dichterlesungen in diversen Lokalitäten zusammengekommen seien, hätten sich »irgendwie komisch« verhalten, urteilt unser Geschäftsführer. Wir können dem nur noch hinzufügen, dass das Buch ja sowieso überschätzt wird. Es ist schwer, platzraubend, knittert leicht, und wenn man mehr als 20 Stück zu Hause hat, verliert man schnell den Überblick. Deswegen lesen echte Leute von heute statt Büchern in der U-Bahn diese schicken Monitor-Paperbacks, deren Namen wir gerade vergessen haben, die aber total handlich sind und mit denen man sofort richtig vielbeschäftigt, lässig und auf der Höhe der Zeit aussieht. Nur am Gesichtsausdruck müssen die neuen Leser arbeiten, der kommt oft noch ein bisschen stier, tumb und öde rüber. Aber das liegt wahrscheinlich nur am mangelnden Training. Oder daran, dass es Lisa Kränzlers Romane einstweilen nur auf Papier gibt.