Auf einmal geht es doch

Nicht selten rühmen sich Politiker großer Leistungen, die sich bei näherer Betrachtung als gar nicht so groß oder sogar als frei erfunden erweisen. Es kann aber auch vorkommen, dass eine sehr bedeutende Maßnahme beschlossen wird, aber niemand sich der Urheberschaft rühmen mag. Vielmehr wünschen sich dann alle Verantwortlichen, dass so schnell wie möglich in Vergessenheit gerät, was sie da getan haben. Dies ist der Fall bei einer Maßnahme der europäischen Zypern-Politik, die gegen ein zentrales wirtschaftsliberales Dogma verstieß. Immer wenn jemand vorzuschlagen wagte, den freien Kapitalfluss zu regulieren, war das Urteil einhellig: Geht nicht! Doch siehe, auf einmal geht es doch. Auf Zypern spucken die Geldautomaten bis zum Mai höchstens 300 Euro aus, nur 5 000 Euro dürfen ins Ausland überwiesen werden. Kein Investor ist vor Verzweiflung aus dem Fenster gesprungen, es wurde nicht einmal richtig gemeckert. Zuvor haben zwar schon andere, unter anderem die Malaysier während der Asien-Krise 1997/98, bewiesen, dass Kapitalverkehrkontrollen nicht zum wirtschaftlichen Zusammenbruch führen, sondern vielmehr hilfreich bei der Krisenbewältigung sind. Doch ist es gut zu wissen, dass nicht einmal die FDP für das Dogma des freien Kapitalflusses gefochten hat.
Denn nun weiß man auch, was im Hinblick auf die sogenannten Steueroasen unternommen werden könnte. Der Kapitaltransfer an dort ansässige Briefkastenfirmen kann nämlich schlicht unterbunden werden. Möglich wäre auch, eine Meldepflicht für derartige Transaktionen einzuführen, um überprüfen zu können, woher das Geld kommt. Schätzungsweise 32 Billionen Dollar wurden in den tax havens angelegt. Da dieser Vorgang komplex und nicht billig ist, darf getrost unterstellt werden, dass in der Regel legale oder illegale Steuervermeidung das Motiv ist, sofern es sich nicht ohnehin um Erträge der organisierten Kriminalität im engeren Sinne des Wortes handelt. Selbst wenn man nur den bisherigen zyprischen Steuersatz von zehn Prozent zugrunde legt, kämen mehr als drei Billionen Dollar zusammen. Rückwirkend kann zwar nicht kassiert werden, aber das Spiel geht ja weiter, schon im Mai sind einige Milliarden Euro aus Zypern zu erwarten. Doch niemand mag den Schatz in der Karibik heben, denn bei einem konsequenten Vorgehen dürfte ein Problem auftreten. Die meisten Großbanken sind am Geschäft mit den tax havens beteiligt, die Deutsche Bank etwa ist seit 30 Jahren auf den Cayman Islands vertreten. »Von den Steuervermeidungsmöglichkeiten leben auch unsere Konzerne«, belehrt der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki jene Naivlinge, die geglaubt haben, Geschäftserfolg habe etwas mit unternehmerischer Leistung zu tun. Mit anderen Worten: Wenn alle Mogeleien unterbunden und alle Straftaten geahndet würden, bliebe von der Geschäftswelt nicht viel übrig.