Catchy Agitprop

Mehr als sieben Jahre sind vergangen seit dem letzten regulären Studioalbum von The Knife, und die Band hat die Zeit offenbar zur wissenschaftlichen Fortbildung genutzt. Nicht nur der Albumtitel ist eine Anspielung auf Michel Foucault, auch sonst trieft der Poststrukturalismus aus jeder Pore des neuesten Machwerks der zwei Geschwister aus Schweden. Hat die Band schon früher mit der Konstruiertheit von Identität gespielt und sich immer wieder aufs Neue mit Patriarchat und heteronormativer Matrix angelegt, heben The Knife diese Auseinandersetzung mit »Shaking the Habitual« inhaltlich wie künstlerisch auf eine neue Ebene.
Bereits das vorab veröffentlichte Video zu dem Track »Full of Fire«, bei dem Marit Östberg Regie führte, war weniger ein Musikvideo als ein queer-feministischer Kurzfilm an der Grenze zum Agitprop.
Die Musik dazu war von den Strukturen radiokompatibler Popmusik so weit wie möglich entfernt, ohne dabei nach verschwurbelter und nicht konsumierbarer Kunstscheiße zu klingen. Dieser Spagat gelingt The Knife auch auf Albumlänge mit Tracks zwischen weniger als einer und fast 20 Minuten Spielzeit, die nur selten wirklich als Songs bezeichnet werden können, Hörgewohnheiten neu ausloten und doch auf irritierende Weise catchy sind. Die Platte mit ihren unzähligen Layern aus Beats und Synthieflächen fühlt sich an wie Per Olof Ultvedts Ausgestaltung des Stockholmer Bahnhofs T-Centralen – kalt, ungewöhnlich, manchmal überwältigend, aber immer zeitlos schön.

The Knife: Shaking the Habitual. Cooperative Music (Universal)