Proteste gegen die autoritäre Regierung in Togo

Das Feuer brennt weiter

Seit Jahrzehnten herrscht in Togo die Familie Gnassingbé, doch die Proteste gegen die autoritäre Regierung werden heftiger. Diese geht repressiv gegen Oppositionelle und kritische Journalisten vor.

Am 24. März dieses Jahres hätten in Togo eigentlich Parlamentswahlen stattfinden sollen, doch sie wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Schon im vergangenen Jahr war es in Togo immer wieder zu Demonstrationen gegen Wahlfälschung gekommen. Seit Januar hat sich die Lage zugespitzt. Nach Brandanschlägen in den zwei größten Städten des Landes hat die Regierung führende Oppositionelle festgenommen und sie der Brandstiftung angeklagt. Journalisten, die es wagen, nach den Hintergründen der Brandanschläge zu fragen, müssen ebenfalls mit Repression rechnen.
Am 19. März 2013 wurde der Journalist Zeus Aziadouvo in die Gendarmerie beordert, um zu seinem Artikel über die Ungereimtheiten bei der Aufklärung der Brände in Kara und Lomé Stellung zu nehmen. Direkt im Anschluss wurde er wegen Verschwörung und Zerstörung öffentlichen Eigentums angeklagt. Ihm wurde verboten, sich zu der Anklageschrift zu äußern. Am 9. Januar war es in Kara und zwei Tage später in der Hauptstadt Lomé aus ungeklärter Ursache zu Bränden gekommen. Der Großmarkt in Lomé gilt als wirtschaftliches Zentrum des Landes und Knotenpunkt Westafrikas. Das Feuer in der dreistöckigen Markthalle in der Nacht zum 12. Januar zerstörte nicht nur Waren im Wert von Milliarden CFA-Franc, sondern auch die Lebensgrundlage vieler Familien. Zwar erreichten die einzigen beiden zur Verfügung stehenden Löschfahrzeuge des Landes in der Nacht die Einsatzstelle, konnten aber nichts mehr retten. Ein Feuerwehrauto aus Ghana, das Hilfe bringen sollte, wurde an der Grenze mehrere Stunden aufgehalten, bis es unter dem Jubel der Bevölkerung endlich zum Einsatz kam. Nach dem Brand wurde über dessen Ursache spekuliert. Ein Pfarrer der gegenüberliegenden Kirche will eine Soldatentruppe gesehen haben, die nachts in das Gebäude eingebrochen sei und Kerosin verschüttet habe. Andere sprachen von einem politischen Coup, der mit dem Nürnberger Reichstagsbrand verglichen wurde. Die politische Führung reagierte mit ein paar Tagen Verzögerung mit der Festnahme und Anklage führender Oppositioneller. Jeden Tag kamen neue Meldungen über Inhaftierungen. Doch die Opposition fordert einen politischen Wandel, ein wirtschaftliches Desaster, das vor allem die Marktfrauen – ihre größten Unterstützerinnen – träfe, wäre kaum ihr Anliegen. Für die Bevölkerung bleiben auch Wochen nach den Bränden und Festnahmen viele Fragen unbeantwortet.

Seit 1967 regiert die Familie Gnassingbé das Land. Bis 2005 herrschte Eyadema Gnassingbé mit seiner Partei RPT. Nach seinem Tod wurde sein Sohn Faure vom Militär an die Macht gebracht. Nach massivem Widerstand im Land organisierte der heute noch amtierende Präsident zwei Monate später Wahlen. Sie waren geprägt von Manipulation und Stimmenkauf. Die in der Folge organisierten Demonstrationen gegen den Betrug wurden vom Militär brutal niedergeschlagen, togolesischen Quellen zufolge wurden mindestens 1 000 Menschen getötet. Auch bei den Präsidentschaftswahlen 2010 gab es Unregelmäßigkeiten, die zu Empörung in der Bevölkerung, aber nicht zu öffentlichen Demonstrationen führten. Seit 2010, als der führende Oppositionelle Jean-Pierre Fabre mit seiner Splitterpartei ANC aus der Nationalversammlung ausgeschlossen wurde, ist die Lage jedoch wieder angespannter. Jeden Samstag gab es Proteste in Lomé. Politische Parteien sowie zivilgesellschaftliche Bündnisse und Medienorganisationen vereinten sich schließlich im »Kollektiv Wir Retten Togo« (Collectif Sauvons le Togo, CST). Sie fordern nicht nur gleiche und freie Wahlen, sondern auch eine gerechte Sitzverteilung in der Wahlkommission sowie die Verwirklichung von schon lange versprochenen Reformen.
Im Juni und August 2012 konnte das CST friedliche Demonstrationen gegen die herrschenden Parteien mit bis zu 500 000 Menschen organisieren. Zuletzt kam es im Januar angesichts der für März angesetzten Parlamentswahlen wieder zu Demonstrationen, die von den Sicherheitskräften brutal niedergeschlagen wurden. Seither ist die Stimmung angespannt. Die Menschen sind zwar verunsichert und fürchten weitere Gewalttaten des Militärs, gleichzeitig verurteilen sie die Regierung für ihren Umgang mit den Marktbränden und die Art der Vorbereitung der nächsten Wahlen.
Die Regierung versucht, alle Journalisten, die zu den Brandanschlägen recherchieren und Artikel über die Machenschaften der Regierung veröffentlichen, zum Schweigen zu bringen. Zu ihrem Bedauern hat Mohammed Loum, der wichtigste Zeuge der Anklage, der Oppositionelle der Brandstiftung bezichtigt hatte, seine Aussage vor Gericht widerrufen. Er behauptet nun, den Gendarmerieoffizieren und der Staatsanwaltschaft für eine hohe Belohnung als Marionette gedient zu haben, um Mitglieder des CST zu beschuldigen. Die Regierung steht seither in einem schlechten Licht da, Angriffe und Todesdrohungen gegen Journalisten mehren sich.

Am 3. April überlebte der Journalist Frédo Attipou schwerverletzt ein Attentat. Unbekannte in zwei Autos hatten ihn zuerst verfolgt und angefahren und schließlich mit den Worten bedroht: »Hast du die Fotos ins Ausland geschickt?« Damit bezogen sich die Angreifer auf den Überfall auf den Journalisten Younglove Amavi einen Monat zuvor. Dieser war bei einem Sitzstreik am Strand von Lomé am 14. März von einem Gummigeschoss im Gesicht getroffen worden. Anlass des Protests mehrerer Journalisten war ein Gesetzentwurf der Regierung gewesen, der das Recht auf freie Meinungsäußerung stark eingeschränkt hätte. Das Militär ging mit Tränengas und Gummigeschossen sowie vom Meer aus mit Militärbooten gegen die Demonstrierenden vor, viele von ihnen kamen schwerverletzt ins Krankenhaus. Der Gesetzesentwurf wurde mittlerweile abgelehnt. Seither häufen sich Morddrohungen gegen kritische Journalisten.
Probleme bereiten der Regierung auch weitere soziale Proteste. Seit fast einem Monat gibt es Bummelstreiks der im Gewerkschaftsbund STT vereinten Beschäftigten. Sie verlangen bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen, vor allem für Staatsangestellte. Trotz der anhaltenden Streiks hat die Regierung sich entschieden, die Forderungen der STT zu ignorieren und sich den korrupten Gewerkschaften zuzuwenden. Die Anführerinnen und Anführer der STT werden von regierungstreuen Schlägern bedroht.

Die Streiks haben zur Schließung von Krankenhäusern, Leichenhallen und Schulen geführt. Aus Sorge um ihre Zukunft, vor allem im Hinblick auf die nahenden Examensprüfungen, sind Schülerinnen und Schüler in ganz Togo, von Lomé bis Dapaong, auf die Straße gegangen, um die Forderungen ihrer Lehrkräfte zu unterstützen und die Wiederaufnahme des Unterrichts zu fordern. Am 15. April wurden die Demonstrationen in Dapaong von den Ordnungskräften mit Tränengas und Gummigeschossen niedergeschlagen. Dabei starben zwei Kinder, einem zwölfjährigen Jungen wurde in die Brust geschossen. Die Entrüstung der Bevölkerung führte in der Folge zur Zerstörung öffentlicher Einrichtungen, des Rathauses und der Polizeistation, sowie zum Anzünden von Autos. Angesichts dieser Entwicklung hat sich die Regierung entschieden, schulische Einrichtungen im ganzen Land zu schließen.
In diesem Klima aus Gewalt und Unterdrückung bereitet sich die Regierung auf die Wahlen vor. Die für diesen Zweck vorgesehene Volkszählung verläuft chaotisch und wird manipuliert, als Wahlberechtigte berücksichtigt werden sogar Minderjährige und Ausländer, um der Regierung mit Fälschungen einen Wahlsieg zu ermöglichen. Die Botschafter mit Sitz in Lomé scheinen den Ernst der Lage nicht zu verstehen und unterstützen die Regierung bei der Organisation der Wahlen.