Busfernreisen machen der Bahn Konkurrenz

Preiskrieg auf der Autobahn

Seit das Fernreisemonopol der Bahn gefallen ist, boomt der Markt für Busfernreisen.

7 Uhr 30 morgens, Zentraler Omnibusbahnhof Berlin: Ein Bus der Firma »Mein Fernbus« wird bereitgestellt. Die beiden Fahrer kontrollieren die Fahrkarten, werden mit Fragen bestürmt und beginnen, das Gepäck der Reisenden einzuladen. Um 8 Uhr fährt der Bus ab gen Freiburg in Süddeutschland, zehn Stunden Fahrzeit sind veranschlagt für die Strecke über Suhl und Würzburg. Die Fahrer wechseln im Dreistundenrhythmus, wenn einer fährt, döst der andere neben ihm vor sich hin. In Neckarsulm steigt einer von ihnen aus und verschwindet im Bahnhof. »Der Kollege fährt zurück nach Berlin«, sagt der andere zu den Fahrgästen und übernimmt das Steuer. Von hier aus? Schließlich ist man schon sieben Stunden unterwegs, und die Fahrtzeit von Neckarsulm nach Berlin mit dem Zug beträgt noch einmal zwischen fünf und sieben Stunden.

Der Fahrer, der gerade die Rückreise angetreten hat, ist an diesem Tag rund 14 Stunden unterwegs. Dass er Gepäck einladen musste und in Berlin noch seinen tatsächlichen Wohnort erreichen muss, nicht eingerechnet. Dem anderen Fahrer ergeht es auch nicht besser, denn er steuert den Bus von nun an alleine nach Freiburg, dazu gehört auch – so will es »Mein Fernbus« –, Snacks zu verkaufen, Kaffee anzubieten und Werbung zu machen für das neue Konzept. Als der Bus schließlich Freiburg erreicht, hat die Fahrt elf Stunden gedauert, nun muss das Fahrzeug noch gereinigt werden. Unschön dabei ist sicherlich der Toilettenbereich. Denn damit die anvisierte Fahrzeit annähernd erreicht werden kann, findet nur eine Pause statt, ansonsten sind die Fahrgäste dazu angehalten, die Bustoilette zu benutzen, die gegen Ende der Fahrt unangenehm riecht. Die Fahrgäste sind froh, endlich wieder festen Boden unter
den Füßen zu haben. Sie haben zwar bemerkt, dass beide Fahrer Pausen hatten, aber eben nur im Bus: Die Luft war schlecht, eine richtige Mahlzeit war nicht verfügbar, dazu kam das ständige Brummen des Motors. Was ist das für eine Pause, die man auf einem Beifahrersitz auf der Autobahn verbringt? Es stellt sich die Frage, wie die Arbeitsbedingungen der Fahrer des Unternehmens sind und wie es angesichts von deren offensichtlicher Belastung um die Sicherheit der Fahrgäste bestellt ist.
Seit Anfang des Jahres das Fernverkehrsmonopol der Bahn gefallen ist, tummeln sich zahlreiche Anbieter von Busfernreisen auf einem umkämpften Markt. Immer mehr Strecken kommen hinzu. Von dem 2011 von Torben Greve und Panya Putsathit gegründeten Unternehmen werden preiswerte Fahrten von Hamburg nach München, von Berlin nach Frankfurt oder von Lindau am Bodensee nach Dortmund und wieder zurück angeboten.

Der Fernverkehrsmarkt innerhalb Deutschlands ist groß und ausbaufähig. »Das Umsatzvolumen«, heißt es in einem Artikel der Badischen Zeitung, der Anfang Juni veröffentlicht wurde, »wird auf 300 Millionen Euro geschätzt. Neben der Deutsche Bahn und dem britisch-spanischen Branchenriesen National Express tummeln sich noch junge Unternehmen wie ›Dein Bus‹ aus Offenbach, ›Flixbus‹ aus München oder ›Mein Fernbus‹ aus Berlin. Aldi vermarktet über sein Tourismusportal Tickets des mittelständischen Anbieters Univers. Dazu sind noch Dutzende kleinere regionale Busunternehmen unterwegs.« Auch die Deutsche Bahn macht sich selbst und den anderen Anbietern neuerdings Konkurrenz, indem sie parallel zum Schienenverkehr Busse bereitstellt, die beispielsweise für 24 Euro von Freiburg nach München fahren.

Diese sehr günstigen Preise, die dem Kampf um den Markt geschuldet sind, begeistern insbesondere Studenten und Senioren. »Ich habe 48 Euro für die Strecke Berlin-Freiburg bezahlt«, sagt ein junger Mann, der aus einem Dorf am Kaiserstuhl stammt, in Berlin Freunde besucht hat und sich nun auf der Rückreise befindet, »das ist unglaublich billig. Und dabei habe ich spät gebucht. Mit dem Zug hätte ich das Dreifache bezahlt! Von nun an kann ich es mir öfter leisten, zu verreisen.«
Schöne Aussichten also für Menschen, die aufs Geld achten müssen, aber nicht unbedingt für die Fahrer. Die Gewerkschaft Verdi fürchte, schreibt die Badische Zeitung, »dass der scheinbar unausweichliche Preiskrieg allein auf den Rücken der Fahrer ausgetragen wird«. Stefan Heimlich, der bei Verdi Experte für den Straßenpersonenverkehr ist, wird mit den Worten zitiert: »Wir haben Hinweise auf tschechische und kroatische Subunternehmer, die ihre Fahrer nach den dortigen Arbeitsbedingungen beschäftigen. Die fahren dann für 700 Euro im Monat innerdeutschen Linienverkehr.« Der Pressesprecher von »Mein Fernbus« sagt hingegen: »Wir arbeiten nicht mit Subunternehmern zusammen, sondern mit 29 Partnern, die namentlich alle auf unserer Website aufgeführt sind und alle nach Tarif oder sogar noch darüber hinaus bezahlen. Das sind alles regional eingebettete, zum Teil traditionelle Familienunternehmen. Die könnten sich etwas anderes gar nicht leisten.« Somit steht Aussage gegen Aussage. Auf Nachfrage der Jungle World sagt Heimlich, dass es der Gewerkschaft derzeit noch an konkretem Zahlenmaterial und an Erfahrungsberichten mangele. Gemeinsam mit Mobifair, einem Verein mit Sitz in Frankfurt am Main, sei man dabei, die Arbeitsbedingungen auf dem neuen Markt zu recherchieren, und hoffe, zum vierten Quartal aussagefähige Zahlen vorlegen zu können. Grund zum Optimismus besteht allerdings nicht: »Wir vermuten, dass durch die sehr niedrigen Preise die Arbeits- und Einkommensbedingungen leiden. Erste Hinweise haben wir.« Der Pressesprecher von »Mein Fernbus« schwärmt von dem Ziel, das das Unternehmen sich gesetzt habe, nämlich das »bekannteste und beliebteste Busunternehmen Deutschlands zu werden«. Da wäre alles, was den Ruf untergrabe, eine Katastrophe, meint er. Beispielsweise ein Unfall, der auf schlechte Arbeitsbedingungen zurückzuführen sei. Die gesetzlich vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten würden penibel eingehalten. Das mag so sein. Allerdings ist es auch so, dass sich ein Fahrer auf dem Beifahrersitz oder einer, der mit dem Zug nach Hause fährt, nur mäßig erholt. Wenn überhaupt.