Der Cyber-Held

»Ein amerikanischer Held, der seinem Land vier Jahrzehnte lang mit Auszeichnung gedient hat«, so beschrieb sein Anwalt, Gregory Craig, den ehemaligen General James Cartwright am Freitag vergangener Woche. Und als »absurd« bezeichnete er »jegliche Andeutung«, dass er sein Land verraten haben könnte. Tatsächlich geht Vaterlandstreue für Militärangehörige ja meist über alles und Cartwright war vor seiner Pensionierung im August 2011 einer der höchsten Vaterlandstreuen, die die USA überhaupt hatten. Der Vier-Sterne-General war von 2007 bis 2011 stellvertretender Generalstabschef der US-Streitkräfte. Beinahe hätte er es sogar zum allerhöchsten Offizier und wichtigsten Militärberater Barack Obamas geschafft, doch den Posten bekam dann General Martin Dempsey. Ob es nun aus verletzter Ehre gewesen sein mag oder aus anderen Gründen, Cartwright wurde jüngst unterstellt, militärische Geheimnisse verraten zu haben. Das Justizministerium teilte ihm vergangene Woche mit, dass gegen ihn ermittelt wird, allerdings steht er noch nicht unter Anklage. Der 63jährige könnte so der neunter whistleblower werden, gegen den Präsident Obama seit seinem Amtsantritt ermitteln lässt.
Cartwright wird vorgeworfen, er habe der New York Times im vergangenen Jahr Informationen über den gegen das iranische Atomprogramm gerichteten Computervirus Stuxnet zukommen lassen, der 2010 1 000 iranische Zentrifugen lahmgelegt haben soll. Entwickelt wurde Stuxnet als Teil des Virusprogramms »Olympic Games« nach einer Idee und unter der Leitung Cartwrights bereits während der Präsidentschaft George W. Bushs. Obama soll die Programmentwicklung dann weiter forciert haben. Vielleicht war die Virusidee einfach zu brillant, um damit hinter dem Berg zu halten. Cartwright kritisierte aber auch die Truppenaufstockung in Afghanistan und Drohneneinsätze unter Obama. Er sprach sich gegen das gezielte Töten als Lösungsstrategie aus und für eine Reduktion des Atomwaffenarsenals. War es also eher die Rache eines nicht ausreichend gewürdigten, eigentlich friedfertigen Cyber-Kriegers, sollten die Vorwürfe gegen den ehemaligen General stimmen? Die US-Regierung gerät durch die andauernden Enthüllungen ihrer Geheimdiensttätigkeiten zumindest in Bedrängnis und will Plaudertaschen rigoros verfolgen. Gegen das Internet und seine Cyber­Attacken hat die Geheimniskrämerei aber wohl kaum eine Chance.