Berlin Beatet Bestes. Folge 200

Liebe ist meine Medizin

Berlin Beatet Bestes. Folge 200. They Must Be Russians: Don’t Try to Cure Yourself (1980)

Mir macht mein Leben Spaß. Lauter Spaß. Am meisten Spaß macht es, mit meiner Freundin zu leben. Pures Glück. Reinstes lebendiges Leben. Ansonsten bin ich gern allein. Mit Büchern, Platten und dem, was ich selbst produziere. Das Schönste, was Menschen produzieren können, sind kleine Kinder und Kultur. Nichts anderes rechtfertigt sonst die Existenz dieser verrotteten Scheißwelt. Gesundheit dagegen ist langweiliger Luxus. Gesundheit ist was für alte Leute. Meine Eltern haben gesund gelebt, sind immer früh auf­gestanden, haben ihre Arbeit gemacht, haben Sport getrieben, gesund gegessen, sich geliebt, nicht geraucht, in Maßen getrunken und eines Sonntags sind sie mit dem Auto gegen einen Baum gefahren und waren sofort tot.
»Gesundheit«, krakeelt die ganze Welt, »ist das höchste Gut.« Dabei werden die Leute in unserer Hemisphäre immer älter und älter. 100 Jahre alt wollen sie am liebsten werden. 60 Jahre lang arbeiten und dann 40 Jahre Geschichten von früher erzählen. Nein danke! Ich war fast zehn Jahre nicht krankenversichert. Oh, was ich mir da immer anhören musste: »Dass es so was noch gibt!?«, »Ist das nicht verboten?« und »Au weia, und was machst du, wenn dir was passiert?« Milliarden von Menschen auf der Welt sind in diesem Moment nicht krankenversichert und werden es höchstwahrscheinlich auch den Rest ihres Lebens nicht sein. Die ganze Menschheitsgeschichte über waren die Menschen nicht krankenversichert. Leben bedeutet verzehren, verbrennen, verbrauchen. Leben ist gefährlich, und ich habe keine Angst davor. Auch nicht davor, meine Gesundheit zu riskieren und den Körper zu vergiften und zu zerstören. Ich rauche und besaufe mich gelegentlich und kaufe nie im Bio­laden. Rausch gehört für mich zum Leben. Aber: Man soll aufhören, wenn es keinen Spaß mehr macht.

Soweit ein unveröffentlichter Text, den ich 2004 geschrieben habe und den ich unlängst beim Aufräumen fand. Seltsam, wie selbstgerecht ich war. Im Gegensatz zu damals ist mir Gesundheit heute sehr wichtig. Nicht in dem ganzheitlich-faschistischen Sinne, den ich in dem Text meinte und der 2007 die bundesweiten Rauchverbote ermöglicht hat. Und auch nicht auf diese traurige narzisstische Weise, in der viele Menschen ihren Körper zu einem kostbaren Gefäß verklären, das nur ausgewählte Nahrung verträgt. Aber als meine Freundin vorige Woche schwer krank wurde, war ich verzweifelt vor Sorge, und als sie dann wieder langsam gesund wurde, unsagbar glücklich. Auch meine eigene Gesundheit ist nicht mehr bedeutungslos, schon aus Verantwortung ihr gegenüber. Wer Kinder hat oder andere Menschen, für die er Sorge trägt, wird nicht im Traum daran denken, dass es egal ist, ob er lebt oder stirbt.
Mit Gesundheit, genauer gesagt mit Geschlechtskrankheiten, beschäftigt sich auch diese lustige Novelty-Punk-Single von They Must Be Russians. Ein Thema, mit dem ich zum Glück keine direkte Berührung mehr habe.

Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com/) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.