Nationaler rauchen

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Die Ungarn sind schwer aus der Ruhe zu bringen. Vielleicht, weil sie so gerne rauchen. Was sie jetzt aber richtig wurmt, ist das seit Montag geltende Tabakmonopol, demzufolge Zigaretten nur noch in landesweit 5 000 lizenzierten Tabakläden verkauft werden dürfen. So sah man denn am Wochenende, wie an Geschäften große braune Schilder angebracht wurden, die eine schwarze 18 in einem roten Kreis zeigen, dazu die ungarischen Nationalfarben und die Aufschrift »Nationaler Tabakladen«. Zwei Drittel der Ungarn sind der Überzeugung, dass die Lizenzen mafiös vor allem an Fidesz-Anhänger vergeben wurden. Den Läden steht eine zehnprozentige Gewinngarantie zu. Bei der Ausschreibung der Lizenzen gingen zahlreiche etablierte Händler leer aus, während Fidesz-Funktionäre und ihre Angehörigen erstaunlich viele Lizenzen ergatterten. An Zufall mag kaum jemand glauben.
In den Biergärten in Budapest sitzen die Menschen zusammen, rauchen und schimpfen über die neue Regelung. Bisher gab es rund 40 000 Verkaufsstellen, auch hier am Tresen des Biergartens Mika-Tivadar-Kert im Ausgehviertel im 7. Bezirk konnte man Kippen erwerben. »In Ungarn kauft man Zigaretten künftig im Parteibüro«, witzelt man jetzt. Trotz der allgemeinen Unzufriedenheit ist von größeren Protesten nichts zu vernehmen.
Auch die Verabschiedung des bisherigen Intendanten des Budapester Nationaltheaters, Róbert Alföldi, der nun durch einen regierungsfreundlichen, national gesinnten Intendanten ersetzt wird, bildete nicht den Auftakt zum Widerstand. Rücktritte beziehungsweise die Vertreibung liberaler Künstler gehörten in Budapest mittlerweile zum politischen Alltag, hatte Alföldi geklagt. Zwar kamen am Sonntag Tausende Bürger auf dem Theatervorplatz an der Donau zu seiner öffentlichen Verabschiedung zusammen, um ihm ihre Solidarität auszusprechen. Protest aber sieht anders aus.