Soll man SMS ins Weltall schicken? Markus Ströhlein schickte bereits seine 144 Zeichen

Tweet to an Alien

Die interstellare Kommunikation befriedigt vor allem menschliche Bedürfnisse. Und das ist auch gut so.

Nur noch läppische 17,6 Jahre – dann wird meine ganz persönliche Nachricht im Sternsystem Gliese 526 ankommen. Das ist grandios, und zwar nicht nur, weil meine ganz persönliche Nachricht nach mehr als 17 Lichtjahren Gliese 526 erreichen und auf einem der Planeten, die den Roten Zwergstern umkreisen, zweifellos von intelligenten, empfindungsfähigen Lebewesen empfangen wird, sondern auch, weil der Empfänger nicht einmal Roaming-Gebühren entrichten oder ich irgendeinen unverschämt teuren Quatschtarif akzeptieren musste. Meine Nachricht konnte ich dank der US-amerikanischen Firma Lone Signal, die den interstellaren Nachrichtendienst eingerichtet hat, völlig kostenlos versenden. Wer häufiger mit deutschen Kommunikationsunternehmen zu tun hatte, weiß das wirklich zu schätzen.

Nun habe ich also meinen Teil getan, um die zarten Bande der SMS-Freundschaft zwischen den Planeten zu knüpfen, und kann der Antwort entgegenfiebern – mindestens 35,2 Jahre lang. Es sei denn, auf dem Planeten im System Gliese 526 hat sich ein der Telekom ähnliches Unternehmen etabliert. Dann muss ein Techniker erst noch einen Anschluss installieren, was beim ersten Termin nicht klappt, weswegen mein außerirdischer SMS-Freund einen neuen Termin vereinbaren muss, was schwierig ist, weil die Angestellte im Callcenter von Gliesecom seinen Vorgang nicht in ihrer Datei findet, und so weiter. Das dauert. Zu den 35,2 Jahren kann ich also leicht noch sechs, sieben Wochen hinzukalkulieren. Ich gehe deshalb einfach von 36 Jahren aus. Die Vorfreude wird ins Unermessliche wachsen. Schließlich warte ich nicht auf meinen Steuerbescheid, sondern auf etwas Großes, nie Dagewesenes, etwas von kosmischer Bedeutung.
Moment mal, mag der Kritiker hier einwenden, aber da geht es doch offensichtlich gar nicht um interstellare Kommunikation, all ihre technischen und philosophischen Implikationen und um außerirdisches Leben. Nein, geht es auch nicht. Es geht um ein durch und durch anthropozentrisches Bedürfnis: das nach Transzendenz. Schließlich hat das Leben auf Erden vor allem wegen der derzeitigen sozio-ökonomischen Gegebenheiten sehr triste Seiten. Der Gedanke, mit Lebewesen in Kontakt zu kommen, die ihre Welt unter ­Umständen schöner, freudvoller, lustvoller ja: menschlicher eingerichtet haben als wir Menschen selbst die unsere, hat etwas der Tristesse Enthobenes, über sie Hinausweisendes. Allein dies, also Menschen mit nur 144 Zeichen ein klein wenig Transzendenz zu ermöglichen, rechtfertigt die Unternehmung der Firma Lone Signal.
Und wer weiß: Vielleicht sind die Außerirdischen von Gliese 526 auch verblüfft, wenn bei ihnen auf einmal Textbotschaft auf Textbotschaft vom Himmel fällt, und setzen sich in ihre Raumschiffe, um bei einem Besuch auf der Erde über den Tellerrand ihrer eigenen fliegenden Untertassen hinauszuschauen. Das wäre dann interstellar-transzendentales Ping-Pong mit Anfassen. Nie dürfte es in der Geschichte der Menschheit ein lohnenderes Warten gegeben haben.

Was man nicht vergessen darf: Lone Signal bringt schon jetzt einen weiteren, überaus handfesten Vorteil mit sich. Das Personal der Firma rekrutiert sich überwiegend aus Menschen, die von den Wirrnissen der Weltwirtschaft gerne mal in die Arbeitslosigkeit befördert werden: aus Angehörigen der IT-Dotcom-Blase. Irgendein Investor hat ihnen genug Geld überlassen, um die Jamesburg Earth Station in Carmel, Kalifornien, zu kaufen, die der Menschheit auch schon Bilder der Apollo-Missionen beschert hat. Dort haben sie ihr Projekt Lone Signal in die Tat umgesetzt. Um es in einem Satz zu sagen: Dank des Geldes eines Investors ist ein Häuflein Start-up-Gestalten zur Genüge beschäftigt und kann anderweitig keinen Unfug anstellen. Den Investoren ist als Altruisten kapitalen Ausmaßes zu danken: Nicht nur bewahren sie die Dotcom-Geeks vor leeren Kühlschränken. Sie bewahren auch die Welt vor den Dotcom-Geeks. Wäre in Deutschland irgendwann jemand darauf gekommen, sein Geld in die interstellare Kommunikation zu investieren, etliche nervtötende Blogs und Internetklitschen wären der Öffentlichkeit unter Umständen erspart geblieben.
Und die Außerirdischen, was haben die von der Angelegenheit? Das ist schwer zu sagen. Ich wäre ja schon sehr froh, wenn sie meine ganz persönliche Nachricht nicht nur erhielten, sondern auch verstünden. Was drinsteht, verrate ich hier nicht. Nur so viel: Sollte in 36 Jahren ein Raumschiff auf der Erde landen, dem neben fremdar­tigen Wesen auch Elvis entsteigt, dann könnte das etwas mit meiner Nachricht zu tun haben.