Let it grow

Der urbane Gärtner ist ein Gefühlsmensch. Gefühle sind in seinem Alltag unheimlich wichtig. Oft ist der städtische Pflanzenfreund ein gescheiterter Architekt, dem das Schaffende, Formende weiterhin wichtig ist, er hat einfach das Gefühl, er könne der Welt etwas Schönes schenken. Nun sind es keine Bürohäuser mit begrünten Dächern, sondern Holzkisten, die er so geschickt auf- und ineinander verwürfelt, dass sein Professor sehr stolz auf ihn wäre. Aber dem urbanen Gärtner ist berufliche Anerkennung »nicht so wichtig«, wirklich glücklich machen ihn seine erdigen Fingernägel.
Dem gefühligen Gärtner geht vieles auf die Nerven. Wie es in der Stadt aussieht. Wie lieblos die Menschen und die Häuser wirken, wie zugeschissen die Erde um Straßenbäumen herum ist, wie hässlich die Plätze, wie schlecht die Luft. Er kann kaum noch atmen. Da muss man doch was machen, denkt er sich. Und im Gegensatz zu vielen anderen setzt er seine Unzufriedenheit in Aktion um. Macht sich die eigenen Hände schmutzig und fühlt, dass durch seinen Einsatz die Stadt ein kleines bisschen lebenswerter werden wird. Denn seine Arbeit orientiert sich an den Grundbedürfnissen der Menschheit: Kontakt zum Organischen, zum Wachsenden, zur Schöpfung an sich.
Mit dem suburbanen Gärtnern möchte er nicht viel zu tun haben, diese Bauerngärtnerei kennt er von seiner Mutti und Oma, aber die buddeln einfach seit Generationen ohne Sinn und Verstand, ohne jeden ideologischen Unterbau, das – er fühlt es – zählt einfach nicht so wie sein Engagement. Auch mit Schrebergärtnern identifiziert er sich nicht, zu viele Regeln und furchtbar kleingeistig, das sind Gärtner von gestern, aber er, er denkt international und konsumkritisch, das ist die Zukunft.
Angefangen hat er mit Guerilla Gardening, hat heimlich Samenbomben geworfen, aber dann spürte er, dass Heimlichkeit einfach nicht zu ihm passt. Die alte Parole »Schade, dass Beton nicht brennt«, die hat er umgetextet in: Gut, dass ich Beton begrüne.
Wenn er abends, erschöpft von der guten körperlichen Arbeit, auf dem Sofa liegt, träumt er davon, die Wüsten um Addis Abeba herum in saftiges Möhrengrün zu verwandeln. Dann gäbe es auch nicht mehr so viel Krieg, denn es macht Menschen friedlich, wenn man ihnen zeigt, wie sie ihr eigenes Gemüse in der Stadt pflegen und hegen können. Und dann träumt er von Bienenstöcken in Afghanistan, deren geschäftiges Brummen ihn noch müder werden lässt, so müde, dass die heimlich gekaufte Zeitschrift Landlust langsam auf seine Brust sinkt.
Ja, er ist ein positiver Mensch, unser urbaner Gärtner, und er möchte dafür einfach nur gelobt werden und hin und wieder über sein Tun in Zeitungen lesen, das ist ihm Lohn genug. Bitte sehr, du urban Spießer, das kannst du haben.