Rechtsextreme Gewalt in Kaufbeuren fordert ein Todesopfer

Das bisschen Totschlag

Im bayerischen Kaufbeuren hat ein einschlägig bekannter Neonazi aus Thüringen einen Mann aus Kasachstan umgebracht. Ob der Tote von den Behörden als Opfer rechtsextremer Gewalt anerkannt wird, ist fraglich.

Kaufbeuren liegt etwa 90 Kilometer von München entfernt. Jedes Jahr Mitte Juli findet dort das Tänzelfest statt, eine Veranstaltung mit historischem Kostümumzug und allerlei traditionellem Tamtam. Am Mittwoch vergangener Woche kam es jedoch zu einem Vorfall, der im gewohnten Ablauf nicht vorgesehen war.

Gegen Mitternacht des 17. Juli provozierten sieben zum Teil alkoholisierte Männer im Alter zwischen 22 und 53 Jahren hinter dem Festzelt drei Spätaussiedler. Sie beschimpften die drei jungen Männer auf rassistische Weise und griffen sie schließlich körperlich an. Diese konnten sich jedoch erfolgreich zur Wehr setzen. Fünf Männer aus Kaufbeuren im Alter zwischen 32 und 40 Jahren näherten sich aus Neugier dem Geschehen am Biergarten des Festzelts, unter ihnen ein aus Kasachstan stammender Mann. Der mutmaßliche Wortführer der Angreifer, der 36jährige Neonazi Falk H. aus Thüringen, schlug dem 34jährigen Kasachen ohne Ankündigung gegen den Kopf, so dass dieser zu Boden ging. Die Wucht des Schlags war so groß, dass der 34jährige trotz einer Reanimierung vor Ort am Donnerstagnachmittag den Folgen einer schweren Gehirnverletzung erlag. Der Familienvater hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Aufgrund von Zeugenaussagen konnten der 22jährige Markus V. und der mutmaßliche Haupttäter festgenommen werden. Während Falk H. in Untersuchungshaft kam, setzte die Polizei Markus V. wieder auf freien Fuß, da ihm keine unmittelbare Beteiligung an dem Totschlag nachgewiesen werden konnte.
Die Angreifer arbeiten zurzeit im Auftrag einer ostthüringischen Baufirma im Allgäu. Polizei­angaben zufolge fiel H. in der Vergangenheit bereits mehrfach durch »rechtsmotivierte Taten« auf. So geriet er im vergangenen Jahr auf einem Volksfest mit einem DJ aneinander, nachdem er »Heil Hitler« gebrüllt und den »Deutschen Gruß« gezeigt hatte. Markus V., der wie der Tatverdächtige aus Meiningen stammt, stellt seine neonazistische Gesinnung auf seinem Facebook-Profil offen zur Schau. Bilder der »Schwarze Sonne« zieren sein Profil ebenso wie eine Online-Freundesliste, in der Neonazis aus Sachsen, Thüringen und Bayern zu finden sind, darunter auch der frühere NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt und die Jugendorganisation von »Pro Deutschland«.

Am Samstagvormittag veranstalteten die Organisatoren des Tänzelfests und die Stadt Kaufbeuren einen Gottesdienst, am Abend folgte ein ­Schweigemarsch durch die Innenstadt, an dem sich 500 Menschen beteiligten. Am »Mahnmal gegen Extremismus« zündeten die Teilnehmenden Kerzen an. »Es kann nicht sein, dass wir jetzt nur die ersten ein, zwei Wochen an die Familie denken«, sagte Waltraud Meis vom lokalen Arbeitskreis Aussiedler während der Gedenkveranstaltung. Die Stadt hat ein Spendenkonto eingerichtet, um Geld für die Hinterbliebenen zu sammeln (siehe unten).
Als Reaktion auf den Vorfall veranstalteten antifaschistische Gruppen am Samstag in Trier und Göttingen sowie am Sonntag in Kaufbeuren Solidaritätskundgebungen. Sie kritisierten, dass die Polizei den möglichen rassistischen Hintergrund des Totschlags bis Freitag verschwiegen habe, obwohl Zeugen bereits in der Tatnacht Beamte über die rassistischen Pöbeleien unterrichtet hatten. »In der Nacht waren noch nicht alle Informationen gesichert, um sie auch schon zu veröffentlichen«, verteidigte die Polizei ihre Informationspolitik. Einhellig reden hingegen Kaufbeurens Bürgermeister Stefan Bosse (CSU) und das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West von einem »Zufallsopfer«. Doch es erscheint zweifelhaft, dass der Angriff aus reinem Zufall den 34jährigen Kasachen traf. Die ersten Pöbeleien und die erste Attacke richteten sich gegen eine Gruppe Spätaussiedler, der tödliche Schlag traf ebenfalls einen Spätaussiedler. Möglicherweise deutet sich hier eine Bagatellisierung an, die ähnlich auch im benachbarten Memmingen stattfand. Dort ermordete ein Neonazi vor acht Jahren mit einem Bajonett Peter Siebert. Dieser hatte sich zuvor über die Neonazimusik seines späteren Mörders beschwert. Das offensichtlich rechtsextreme Tatmotiv wollte der zuständige Richter nicht anerkennen.
Die Änderung der Erfassungskriterien für rechtsextreme Tötungsdelikte und andere Straftaten in den vergangenen Jahren und auch das Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) haben nur wenig an der juristischen Bewertung solcher Taten geändert. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass der in Kaufbeuren getötete Mann das »Zufallsopfer« einer unpolitischen Tat bleiben wird. Doch gleichgültig, welche juristische Bewertung erfolgen wird: Er ist das 14. Todes­oper rechtsextremer Gewalt in Bayern seit 1990.
Fünf dieser Morde verübte der NSU. Markus V., der Kumpan des mutmaßlichen Haupttäters von Kaufbeuren, bekundet seine Sympathien auch für diese Naziterroristen öffentlich. Seinen Facebook-Auftritt ziert ein Bild, auf dem die auch vom NSU verwendete Comicfigur »Pink Panther« zu sehen ist – bewaffnet mit einem Maschinengewehr.

Spenden für die Hinterbliebenen des Opfers in Kaufbeuren: Allgäuer Hilfsfonds e.V., Sparkasse Allgäu, Kontonummer 2857, BLZ 733 500 00, Stichwort: »Solidarität nach rechtem Angriff«