Antreten zum Protest

Seinen Stilberater sollte General Abd al- Fatah al-Sisi schnellstens wechseln, denn mit der Sonnenbrille, die er am Mittwoch voriger Woche bei seiner Ansprache trug, entspricht er dem klassischen Bild des Militärdiktators. Offiziell aber ist der Oberkommandierende der ägyptischen Armee nur stellvertretender Premierminister und Verteidigungsminister. Auch seine Rede war ungewöhnlich für einen General: »Ich rufe jeden ehrlichen und ehrwürdigen Ägypter auf, am Freitag auf die Straße zu gehen, um uns das Mandat dafür zu geben, dass wir gegen Gewalt und Terrorismus vorgehen.« Wohl nie zuvor hat sich ein Militärführer explizit auf »die Straße« und ihr Mandat berufen. Derzeit ist al-Sisi populär, die meisten Ägypterinnen und Ägypter befürworten den Sturz der islamistischen Regierung Präsident Mohammed Mursis, auch die zum Teil exzessive Gewaltanwendung gegen protestierende Muslimbrüder stößt auf relativ wenig Kritik.
Dem Karriereoffizier al-Sisi, der auch militärische Ausbildungsgänge in Großbritannien und den USA absolvierte, werden gute Beziehungen zur amerikanischen Armee und Regierung nachgesagt. Der 58jährige kann in der ägyptischen Gerontokratie fast als Jüngling gelten, eben deshalb wurde er bis zu seiner Ernennung zum Verteidigungsminister vor knapp einem Jahr nicht zu den führenden Offizieren gezählt. Unklar ist daher, ob er der Anführer oder nur der Frontmann der Generäle ist, die eine abgeschottete Kaste bilden. Sicher ist hingegen, dass das Offizierskorps vor allem seine eigenen Interessen vertritt. Eine islamistische Kontrolle über die zivile Staatsmacht wollten die Generäle nicht hinnehmen, doch ist ihr Umgang mit der Muslimbruderschaft seit mehr als sechs Jahrzehnten taktisch. Auf Phasen der Repression folgten Phasen der Duldung und indirekten Unterstützung. Derzeit geht die Repression deutlich über das zur Eindämmung islamistischer Gewalt notwendige Maß hinaus, eine temporäre Eskalation könnte im Interesse des Militärs sein, da sie dessen Rolle als Ordnungsmacht stärkt. Doch könnte die Muslimbruderschaft dem Militär auch wieder von Nutzen sein, wenn andere Gruppen dessen Macht bedrohen. Mit seiner Rede in der vergangenen Woche hat al-Sisi das Militär jedoch in eine politische Abhängigkeit geführt. Wer das Mandat »der Straße« als Legitimation fordert, wird gewaltige Probleme haben, wenn »die Straße« ihm dieses Mandat wieder entzieht.