Platte Buch

Ende der Flucht

Unter anderen Umständen wäre er vielleicht gar nicht zurückgekehrt. Aber jetzt liegt der Vater schwer krank in einem Krankenhaus in Buenos Aires. Die letzten acht Jahre hat der junge Protagonist in Patricio Prons Debüt­roman »Der Geist meiner Väter steigt im Regen auf« in Göttingen gelebt – um zu studieren und viel Zeit bei einem Psychiater zu verbringen. Antidepressiva haben sein Gedächtnis porös werden lassen.
Die Reise nach Argentinien ändert beinahe alles. Im Arbeitszimmer des Vaters findet er eine prall gefüllte Aktenmappe. Die über viele Romanseiten ausgebreiteten fiktiven Zeitungsausschnitte und Notizen über den Mord an ­einem Freund des Vaters geben den Blick frei auf ein nicht aufgearbeitetes Kapitel der Gewalt – auf die Zeit der Militärdiktatur zwischen 1976 und 1983. Von hier aus erweist sich die idyllische Kindheit des Protagonisten und Ich-Erzählers als verzerrte Erinnerung. Tatsächlich verbrachten die Eltern ein gefährliches Leben im politischen Widerstand. Nichts davon gewusst? Halb geahnt und verdrängt? Fragen über Fragen.
Stilistisch präzise und elegant erzählt Prons autobiographisch fundierter Roman von einem generationenübergreifenden Trauma und dem mutigen Versuch seiner Bewältigung. In einem Interview sagte der 1975 geborene Autor, »dass man nicht ständig vor der Vergangenheit flüchten kann, dass sie uns trifft, wo wir uns versteckt haben«. Dass er schließlich in der Lage gewesen sei, der »Vergangenheit in die Augen zu sehen«, habe ihn glücklich gemacht.

Patricio Pron: Der Geist meiner Väter steigt im Regen auf. Rowohlt-Verlag, Reinbek 2013, 224 Seiten, 18,95 Euro