Erwin Javor und Florian Markl im Gespräch über die verzerrende Berichterstattung über den Nahen Osten

»Es geht nicht nur um Verschleierung«

Die Berichterstattung über den Nahen Osten ist häufig verzerrt. Die Medienbeobachtungsstelle Mena in Österreich versucht, dies zu korrigieren. Die Jungle World sprach mit Erwin Javor, der Mena gründete, und seinem Mitarbeiter Florian Markl über die Arbeit von Mena und deren mög­lichen Vorbildcharakter für andere Länder.

Auf der Seite des Instituts Memri, das Medien des Nahen Ostens beobachtet, sah ich ein Video, in dem ein Imam auf dem Tempelberg in Jerusalem vor einer begeisterten Masse unter anderem zum Judenmord aufruft. Darüber berichten die deutschsprachigen Medien fast nie. Waren Szenen wie diese ein Grund dafür, Mena Watch zu gründen?
Javor: Ja, aber vor allem war es die unfaire und voreingenommene Darstellung der Ereignisse in den Medien. Es geht also nicht nur um Verschlei­erung, sondern auch darum, dass sie manchmal Dinge berichten, die inhaltlich falsch bzw. verzerrt sind. Ich wollte in Österreich eine faire Korrektur versuchen und habe deswegen Mena gegründet. Wir sind inzwischen schon zu dritt und beobachten alle wichtigen Printmedien sowie Radio und Fernsehen. Alles, was falsch, verzerrt oder unfair dargestellt ist, wird von uns berichtigt. Es gibt Erfolge, viele nehmen Dinge zurück, erkundigen sich bei uns, lesen bei uns nach; und ich bin sehr stolz darauf, dass wir einige Korrekturen anbringen konnten und einige Journalisten zum Nachdenken gebracht haben.
Welche Methoden wenden Sie an?
Markl: Wir erfassen systematisch, was in österreichischen Medien präsentiert wird in Bezug auf den Nahen Osten und Nordafrika. Dann versuchen wir die vielen Fehler, die seltsamen oder tendenziösen Darstellungen mittels Leserbriefen, Gastkommentaren und Veröffentlichungen auf unserer Homepage richtigzustellen.
Können Sie Beispiele geben?
Markl: Da gibt es zwei Ebenen: Ein Gastkommentator meinte in der Tageszeitung Standard, die Hamas sei unbeirrbar auf dem Weg, sich zu mäßigen und mit Israel Frieden zu schließen. Wir konnten eine Replik veröffentlichen, dies ist öffentlich nachvollziehbar. Und es gibt die Ebene, die nicht leicht von außen zu sehen ist, die Dialoge, die sich mit Journalisten ergeben. Wir schreiben Journalisten an und diese antworten, oft ergeben sich dann längere Diskussionen. Es gibt Fälle, in denen sie unsere Meinung akzeptieren und auch solche, in denen sie gar nicht anders können und sagen: ›Entschuldigung, das war falsch. Tut mir leid, ich habe mich geirrt.‹ In den Salzburger Nachrichten konnte man einen Artikel über den syrischen Bürgerkrieg lesen, in dem immer konsequent von der Hamas die Rede war, wenn der Journalist die Hizbollah gemeint hat. Ich machte den Journalisten darauf aufmerksam. Es war ihm fürchterlich peinlich, zumal er sich seit Jahren damit beschäftigt, und er konnte sich gar nicht erklären, wie ihm das passieren konnte.
Javor: Es gibt auch Skurriles wie »Israel droht mit Selbstverteidigung«.
Markl: Mit diesem absurden Satz titelte der deutsche Focus Online, ein Spitzenreiter in diesen Dingen. Er schaffte es auch, im Zusammenhang mit dem Syrien-Krieg zu behaupten, Israel hätte Syrien mit Giftgas angegriffen.
Wie sieht es mit der ORF-Berichterstattung aus?
Javor: Wir haben uns über die Berichterstattung von Radio Ö1 beschwert, wo über den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern einmal so verzerrt berichtet wurde, dass man es als antisemitisch bewerten konnte. Das kam zum Beschwerdeausschuss und nach sechs Monaten haben sie sich entschuldigt. Das ist ein Erfolg und hoffentlich sind sie in Zukunft vorsichtiger. Gefühle gegen Juden und Israel kann man nicht so schnell wegbringen, andererseits versuchen wir unpolemisch und sachlich richtigzustellen und werden deswegen respektiert. Wir denken, dass das eine oder andere besser geworden ist, gleichzeitig wünsche ich mir, dass ähnliche Initiativen in jedem Land gestartet werden von Menschen, die auch an diesem verzerrten Bild über Israel und den Konflikt mit seinen Nachbarn leiden.