Siemens über alles

Er hat es geschafft: 33 Jahre hält er dem Konzern Siemens schon die Treue, jetzt darf er ganz oben mitbestimmen. Am 1. August löste der 56jährige Joe Kaeser, beziehungsweise Josef Käser, Peter Löscher als Vorstandsvorsitzenden der Siemens AG ab. Löscher hatte einfach zu viel versprochen. Die Renditeziele für 2014 mussten kürzlich erneut nach unten korrigiert werden, so etwas hören die Aktionäre nicht gern und er musste gehen. Kaeser kann hingegen prima rechnen und hatte schon so prominente Posten inne wie CFO, CEO, CSO und was es sonst noch alles Wichtiges gibt. Das amerikanische »Joe« statt des zünftig-bayerischen »Josef« stößt einigen Patrioten zwar übel auf, aber die Süddeutsche Zeitung kann beruhigen, er sei »regelmäßig in seinem Heimatdorf« Arnbruck zu Besuch. Außerdem habe er so lustige Hobbys wie »gerne bis in die frühen Morgenstunden« zu arbeiten. Sonst wäre er ja wohl auch nie von den Halbleitern weggekommen und bis zum absoluten Oberleiter aufgestiegen.
Mangelnde Identifikation mit dem Unternehmen kann man ihm sicher nicht vorwerfen. »Siemens muss bei Siemens wieder über allem stehen«, soll der neue Vorsitzende gesagt haben Vor allem wettbewerbsfähiger soll der Weltkonzern werden. Schließlich sorgt dieser nicht nur für das Auskommen von 370 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ohne Siemens und seine Haushaltsgeräte, Kommunikations-, Antriebs- und Überwachungstechnik, Nuklearanlagen, Medizingeräte und die ganzen sonstigen unentbehrlichen Produkte wäre unser Alltag recht dröge und steinzeitlich – und das arme Deutschland nicht ganz so wichtig. Und damit ausländische Staatsführungen nicht Billigramsch anderer Unternehmen anschaffen, wurde beizeiten auch ordentlich geschmiert. Vom letzten großen Korruptionsskandal 2006 will Kaeser nichts gewusst haben, er profitierte auf seinem Karriereweg davon, dass das Direktorium ausgetauscht wurde. Groß geändert haben dürfte sich an der Praxis aber nichts. Mitte Juli zeigte sich Siemens in Brasilien selbst an, da es mit anderen Konzernen illegale Preisabsprachen für Aufträge im Nahverkehr getroffen hatte. Kaeser wird auch davon nichts gewusst haben. Wettbewerb ist eben gar nicht so einfach. Und auch sein Vorbild »kleine Kinder« – die man ihm zufolge nicht zu etwas zwingen, sondern nur überzeugen könne – überschätzt er ein wenig: zuckerhungrige Zwerge lassen sich nur zu gern bestechen.