Kritik am Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche

Die Kirche nicht im Dorf lassen

Vor der Potsdamer Garnisonkirche schüttelten sich Hitler und Hindenburg 1933 die Hände. Der Wiederaufbau der Kirche soll nun auch mit Geld aus dem Bundeshaushalt gefördert werden.

Im Jahr 2017 soll Deutschland um ein »national bedeutsames Bauwerk« reicher sein – zumindest, wenn es nach Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) geht. Anfang vergangener Woche gab er bekannt, dass die Bundesregierung den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche in den nächsten zwei Jahren mit je sechs Millionen Euro fördern wolle und diesen Betrag im Haushaltsentwurf, über den im Herbst der Bundestag zu entscheiden hat, berücksichtigt habe. Damit solle geholfen werden, die im Zweiten Weltkrieg beschädigte und 1968 abgetragene Kirche bis 2017 wiederaufzubauen.

Das ist ein brisantes Vorhaben. Denn die preußische Militärkirche war der Ort der konstituierenden Sitzung des neugewählten Reichstags am 21. März 1933, dem »Tag von Potsdam«, als die Macht an die Nationalsozialisten übertragen wurde. Das Foto vom Händedruck zwischen Hitler und dem Reichspräsidenten, Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, vor der Kirche steht symbolisch für das Bündnis der traditionellen militärisch-konservativen Eliten mit den Nationalsozialisten. Die Förderung des umstrittenen Bauvorhabens soll nun, so Neumann, »die jahrzehntelangen Bemühungen vieler engagierter Bürgerinnen und Bürger« unterstützen.

Diese Bemühungen begannen 1984 nicht in Brandenburg, sondern im nordrhein-westfälischen Iserlohn, als Offiziere des dort stationierten Fallschirmjägerbataillons 271 die Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel (TPG) gründeten, mit dem Ziel, die »ungelöste deutsche Frage (…) im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu halten«. Sie ließen das Glockenspiel der Garnisonkirche nachbauen und auf dem Kasernenhof aufstellen. Um klarzumachen, wie die »deutsche Frage« beantwortet werden solle, wurden auf sieben Glocken die Worte Königsberg, Ostpreußen, Breslau, Schlesien, Stettin, Pommern und Westpreußen angebracht. Im Fall der deutschen Wiedervereinigung wollte die TPG zum Wiederaufbau der Garnisonkirche »geistig und finanziell beitragen«.

Die TPG sah 1990 ihre große Stunde gekommen. Sie ließ das Glockenspiel nach Potsdam schaffen und sammelte fortan, unterstützt von Potsdams sozialdemokratischen Oberbürgermeistern, Spenden für den Wiederaufbau der Kirche. Doch 2004 drängten die Stadt Potsdam und die evangelische Kirche die TPG aus dem Vorhaben. Denn während Stadt und Kirche auf den seit 1990 anhaltenden Widerstand gegen das Projekt reagierten, indem sie 2001 erklärten, man wolle die Kirche als »Versöhnungszentrum« neu errichten und in ihr an den »Widerstand gegen Hitler« in Gestalt der Putschisten vom 20. Juli 1944 erinnern, von denen einige zur Gemeinde der Garnisonkirche gehört hatten, hielt die TPG an dem Ziel fest, die Kirche originalgetreu wiederherzustellen. Zudem betonte sie, dass »KDV-Beratung, Kirchenasyl, Schwulensegnung und Feministische Theologie« darin keinen Platz haben dürften.

Mit der Gründung der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche 2004 wurde eine Ersatzorganisation für die TPG geschaffen, um die benötigten Spenden einzuwerben. Denn, so wurde das Projekt jahrelang legitimiert, in den Bau sollten keine öffentlichen Gelder fließen. 2008 wurde die kirchliche Stiftung Garnisonkirche Potsdam gegründet, die den Bau tragen soll. Doch wirklich vorangekommen ist die Spendensammlung seit 2004 nicht. In knapp zehn Jahren gelang es den Verantwortlichen nicht einmal, fünf Prozent der geschätzten Baukosten von 100 Millionen Euro durch Spenden aufzubringen.

Stattdessen verschärfte sich in Potsdam die Auseinandersetzung um die Garnisonkirche. War das Vorhaben der TPG von Anfang an auf großen, vor allem antifaschistischen Widerstand gestoßen, verschob sich nun der Schwerpunkt der Auseinandersetzung. Der Wiederaufbau der Garnisonkirche wurde zum Gegenstand heftiger städtebaulicher Konflikte. In diesen mit großer Härte geführten Debatten stehen alteingesessene, konservative Potsdamer und in den vergangenen 20 Jahren nach Potsdam zugezogene Angehörige der gehobenen Mittelschicht dem linken und linksalternativen Teil der Bevölkerung gegenüber. Sie streiten darüber, welche weitere stadtplanerische und politische Entwicklung die Stadt nehmen soll. Zudem geht es den Befürwortern des Wiederaufbaus darum, sämtliche in der Zeit der DDR getätigten Eingriffe ins Ensemble der preußischen Repräsentations- und Machtbauten zu tilgen.

Ein Scheitern des Wiederaufbaus der Garnisonkirche wäre für seine Befürworter zugleich auch eine herbe stadtplanerische und politische Niederlage. Deshalb befürchten Kritiker des Wiederaufbaus schon seit einiger Zeit, dass das Versprechen, die Kirche würde nur mit Spendengeldern aufgebaut, gebrochen werden könnte. Im Frühjahr 2012 führte der Journalist Anselm Weidner in einem Feature für den Deutschlandfunk den Nachweis, dass die Anhänger des Wiederaufbaus längst vorhatten, den Bau auch aus Steuermitteln finanzieren zu lassen.

Obwohl sich eine derartige Entwicklung abgezeichnet hatte, überraschte die Entscheidung Neumanns die Gegner des Wiederaufbaus. Der Jungle World sagt Sandro Szilleweit von der »Bürgerinitiative Potsdam ohne Garnisonkirche«: »Wir weisen ja schon seit einiger Zeit darauf hin, dass geplant wird, die Garnisonkirche auch mit öffentlichen Geldern aufzubauen. Aber dass jetzt für dieses heftig umstrittene Projekt, von dem immer beteuert wurde, dass es nur mit Spenden errichtet werde, dermaßen hohe Beträge bereitgestellt werden sollen, das hatten wir, auch angesichts der über zwei Jahrzehnte andauernden Proteste, nicht so schnell erwartet.«

Sollte der Bundestag im Herbst das Geld für die Garnisonkirche bewilligen, könnten im nächsten Frühjahr die Bauarbeiten anfangen. Wenn der Bau erst einmal begonnen habe, so die Behauptung der Bundesregierung und der evangelischen Kirche, dann würden endlich auch die Spenden fließen. Was passieren wird, sollten sie dennoch ausbleiben, ist ein offenes Geheimnis. Unwidersprochen stellte beispielsweise die Märkische Allgemeine Zeitung nach der Entscheidung Neumanns fest: »Einen halbfertigen Turm wird keine Bundesregierung, kein Ministerpräsident, kein Oberbürgermeister als Bauruine in den Himmel der Landeshauptstadt ragen lassen, egal wie heftig der Widerstand in der Region auch noch werden wird.«

Hierzu teilte Neumanns Pressesprecher der Jungle World in einer schriftlichen Stellungnahme mit: »Das amtierende Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche Potsdam, in dem neben Altbischof Wolfgang Huber weitere namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kirche und öffentlichem Leben mitwirken, ist dabei Garant für eine verantwortungsvolle Umsetzung der Konzeption und die weitere Einwerbung von Mitteln. Der Staatsminister geht davon aus, dass die Förderzusage des Bundes die Spendenbereitschaft deutlich erhöhen wird, und wird bei der Bewilligung der Mittel darauf achten, dass keine Bauruine entsteht.« Dies vermag die Gegner des Wiederaufbaus nicht zu beruhigen. Szilleweit jedenfalls kritisiert: »Die namhaften Persönlichkeiten sind bisher nur als Garanten dafür in Erscheinung getreten, dass es einen demokratisch nicht legitimierten Aufbau gibt.«