Die Arbeitsbedingungen von ausländischen Pflegekräften in Deutschland

Geiz im Wunderland

Die Bundesrepublik versucht derzeit, Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben. Ein gutes Einkommen wird ihnen dabei nicht in Aussicht gestellt.

»Mal sehen, vielleicht gibt es ja was für mich«, sagt Paco sinngemäß auf Spanisch. Er ist derzeit zu Besuch bei Freunden in Berlin und macht das, was viele Spanier und Spanierinnen in Deutschland derzeit tun: Er verbindet den Urlaub mit der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten.
Das ist schwierig, denn Paco, der aus einem Dorf bei Sevilla stammt, spricht kein Wort Deutsch. Er spricht nur ein paar Brocken Englisch. Und erschwerend kommt hinzu, dass er noch in diesem Jahr 50 wird. Aber nach jahrelanger Arbeitslosigkeit ist der gelernte Maschinist und ehemalige LKW-Fahrer mit den Nerven am Ende. Man glaubt, was man glauben möchte: Auch Paco beginnt, den Geschichten vom Wunderland Deutschland Glauben zu schenken, die in Andalusien, wie er versichert, immer öfter erzählt werden.

Dafür hat nicht nur die schwarz-gelbe Bundesregierung gesorgt, auch die Betreiber von privaten Pflegeheimen haben dazu beigetragen. In Spanien, Italien, Portugal und Griechenland, aber auch in Ländern wie Bosnien, Rumänien, Serbien, Tunesien und auf den Philippinen sind diese, wie die Berliner Zeitung Mitte September berichtete, eifrig auf der Suche nach Pflegekräften für Deutschland. »Die Bundesregierung«, wirbt Spiegel Online zufolge »in neun Ländern aktiv vor Ort um Fachkräfte für den Gesundheits- und Pflegebereich«. Und dabei habe sie vor allem Südeuropa im Blick: »Noch in diesem Jahr seien in Spanien sieben Veranstaltungen im Gesundheitsbereich geplant«, heißt es dort, »um Fachkräfte anzuwerben«. Darüber hinaus sollen 150 Pfleger und Pflegerinnen für deutsche Pflegeheime aus China eingeflogen werden.
Tai Chi und Qi Gong im Altersheim? Akupunktur und fernöstliche Meditation? Weit gefehlt. Wer weiß, dass Pflegehelfer hierzulande einen Stundenlohn von 8,50 Euro brutto verdienen und ausgebildete Pfleger auf einen Bruttoverdienst von etwa 2 000 Euro im Monat kommen, versteht, warum Bundesregierung und Heimbetreiber insbesondere in Ländern auf der Suche sind, die man offenbar für Billiglohnländer hält. Doch auch dort kann man rechnen: »Der Unterschied zwischen Deutschland und hier macht rund 1 000 Euro aus«, sagt Pacos Neffe Juan, der sich im Internet über Tarife und Gehaltslisten informiert hat und aus diesem Grund vor kurzem nach Schweden gegangen ist. »In Deutschland würde ich viel weniger verdienen.«
Als gelernter Krankenpfleger mit Berufserfahrung, die er unter anderem in Großbritannien gesammelt hat, passte Juan perfekt in das Beuteschema nordeuropäischer Headhunter und wurde angeworben. Nun lebt er in einer Kleinstadt nördlich von Stockholm, bereitet sich sprachlich auf seinen Einsatz vor und freut sich darüber, in einem Holzhaus zu wohnen, wie er es bisher nur aus den »Pippi Langstrumpf«-Filmen kannte.

Bernd Meurer, der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, geht der Berliner Zeitung zufolge von einem Bedarf an 220 000 Pflegern und Pflegerinnen bis zum Jahr 2020 aus. Meurer nennt jedoch nicht die schlechte Bezahlung, sondern eine angeblich mangelnde »Willkommenskultur« als Grund dafür, dass Krankenpfleger wie Juan sich nicht für Deutschland entscheiden. Darunter versteht er vielleicht auch die Kritik der Bundestagsfraktion der Linkspartei, die unlängst moniert hat, dass die Abwerbung von Pflegekräften aus Spanien, Rumänien und Serbien zu einer pflegerischen Unterversorgung in diesen Ländern führen könnte, ein Vorwurf, den Meurer vehement bestreitet. Dass es alten oder pflegebedürftigen Menschen schwer fallen könnte, sich auf schlecht bezahlte Pfleger und Pflegerinnen einzustellen, die erst noch die Sprache erlernen müssen, ist nirgendwo Thema. Juan will sein Bestes geben und unter keinen Umständen nach Spanien zurückkehren. »Er hat seinen ersten Winter in Schweden aber noch vor sich«, sagt sein Onkel in Berlin und packt die Koffer. Morgen kehrt er zurück nach Sevilla. Einen Job hat ihm niemand angeboten. Natürlich nicht. Derzeit geht es um Pfleger und Pflegerinnen, deren Arbeit möglichst wenig kosten soll.