Das Ergebnis der Piaac-Studie

Das Land der mittelmäßigen Dichter und Denker

Die Piaac-Studie hat den Bildungsstand von Erwachsenen untersucht. Im internationalen Vergleich landet Deutschland im Mittelfeld.

Bitte lesen Sie diesen Text sorgfältig: Am Ende könnte ein Test folgen. Denn was sich nicht prüfen, messen und quantifizieren lässt, ist in dieser Welt nun einmal nichts wert, und das gilt auch für so schwer definierbare Dinge wie »Bildung«. Deshalb wird etwa die Qualität des Schulsystems seit einem guten Jahrzehnt nicht mehr danach beurteilt, ob dabei Menschen mit Urteilsvermögen, Alltagstüchtigkeit oder gar moralischem Rückgrat herauskommen, sondern am Platz, den die Nation im internationalen Pisa-Ranking einnimmt. Der nächste Schritt, nach den Schülern nun auch die Erwachsenen auf ihren Bildungsstand zu testen, war im Zeitalter des »lebenslangen Lernens« nur folgerichtig, und die Ergebnisse dieser ersten sogenannten Piaac-Studie – auch bekannt als »Pisa für Erwachsene« – hat die ­Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nun vorgelegt.
Dass diese unter Bildung etwas anderes versteht als etwa ein Oberstudienrat an einem altphilo­logischen Gymnasium, war zu erwarten, und so ist die Maßeinheit der Piaac-Studie auch nicht »Hexameter pro Stunde« oder ähnliches. Getestet wurden vielmehr grundlegende Fähigkeiten: Lesen, Rechnen und »Problemlösungskompetenz«. Darunter sind nicht etwa Aufgaben zu verstehen wie »Wen pumpen Sie an, wenn das Konto mal wieder leer ist?«, sondern die Tester wollten wissen, wie gut sich ihre Versuchskaninchen mit Computer und Internet auskennen.
Für ein Land, dessen Meinungsführer und dessen Mehrheit der Staatsinsassen wie selbstverständlich davon ausgehen, dass der rechtmäßige Platz ihrer Nation, ob im Fußball, in der Weltwirtschaft oder der internationalen Politik, ganz vorne zu sein habe, ist das Ergebnis niederschmetternd: Deutschland landete in allen Bereichen nur im Mittelfeld der 24 beteiligten Industriestaaten. So sind beispielsweise 17,5 Prozent der deutschen Teilnehmer »maximal in der Lage, kurze Texte mit einfachem Vokabular zu lesen und ihnen in stark begrenztem Maße Informationen zu entnehmen« – die Redaktion der Bild-Zeitung immerhin wird’s freuen.
Wirklich beschämend ist allerdings, was auch die Pisa-Studien regelmäßig aufzeigen, nämlich, dass in keinem anderen Land außer den USA der Bildungsstand so sehr von der sozialen Herkunft abhängt wie hierzulande. Da diese Erkenntnis schon in den letzten zehn Jahren nicht zu einem Umdenken in der Bildungspolitik geführt hat, wird sich an der Klassengesellschaft des deutschen Schulsystems auch in Zukunft nichts ändern. Die Abgehängten werden weiter abgehängt bleiben, die Eliteblagen durchs Turboabitur geknüppelt, und Grundschüler ohne urdeutschen Stammbaum werden weiterhin schlecht Deutsch lernen, weil deutsche Eltern alles daransetzen, dass ihr kostbarer Nachwuchs bloß keine Schule mit hohem »Ausländeranteil« besuchen muss.
Zum Abschluss nun noch der angekündigte Test. Bitte beantworten Sie bis nächsten Donnerstag folgende Frage: Wenn drei Hartz-IV-Empfängerinnen fünf Kinder großziehen, wie viele Comedians können dann wie viel Geld mit Schenkelklopfern auf Kosten der »bildungsfernen Schichten« verdienen?