Faschisten und katalanische Separatisten in Spanien

Gas für die Spalter

Spanische Faschisten kämpfen vereint und bisweilen mit Todesdrohungen vor allem gegen katalanische Separatisten. Dank verschärfter Gesetze könnten sie in naher Zukunft jedoch wirksamer belangt werden.

Im kleinteilig organisierten spanischen Faschismus macht ein relativ neues Bündnis von sich reden: »La España en marcha« (Spanien in Bewegung/Spanien marschiert). Es trat dieses Jahr in Erscheinung und besteht aus mehreren kleinen Parteien und Organisationen. Sie haben einen gemeinsamen Feind, der in den vergangenen Jahren so stark geworden ist wie vielleicht noch nie in der über 30jährigen Geschichte der spanischen Demokratie: die katalanische Unabhängigkeitsbewegung.

Einen großen Auftritt hatte das Bündnis am 11. September, dem Nationalfeiertag Kataloniens. Etwa 15 Männer und mindestens eine Frau sabotierten einen Festakt im katalanischen Kulturinstitut in Madrid. Sie stürmten die Bühne, stießen Menschen, das Rednerpult und die katalanische Flagge um, bauten sich selbst mit der spa­nischen Flagge sowie mit Parteifahnen auf und beschworen mit ihren Parolen die Einheit Spaniens. Der Zwischenfall erregte viel Aufsehen, nicht nur in Katalonien. Einige der bis auf einen nicht vermummten Täter konnten anhand von Kamerabildern als bekannte und zum Teil vorbestrafte Faschisten identifiziert werden. Gegen elf Personen wurde Anklage wegen Körperverletzung und Störung der öffentlichen Ordnung erhoben. Wie die Barceloner Tageszeitung La Vanguardia schrieb, müssen die Verdächtigen bei einer Verurteilung mit Geldstrafen rechnen.
Anwalt einiger Angeklagter ist Pedro Pablo Peña, der Vorsitzende der Partei Alianza Nacional (AN), deren Flagge während des Sabotageakts gezeigt wurde. Drei Wochen nach dem Vorfall stellte Peña selbst in einem Fernsehbericht klar, dass es nicht ohne Blut abgehen werde, wenn sich ein Teil Spaniens loslösen wolle. Wenn es nötig sei, gebe es einen »bewaffneten Kampf«. Der Parteivorsitzende sagte in dem Fernsehbeitrag ebenfalls voller Stolz: »Wir sind die wahren Systemfeinde.« Die Generalstaatsanwaltschaft prüft nun ein Verbot der AN.
Am 12. Oktober, dem spanischen Nationalfeiertag, machten die faschistischen Kämpfer gegen den Separatismus dennoch weiter. Den »Tag des Spanischtums«, der an die Landung von Kolumbus in Amerika erinnert und an dem in Madrid eine Militärparade stattfindet, feiern Nationalisten aller Couleur. Das faschistische Bündnis rief zu einer Demonstration in Barcelona auf. Es erschienen ungefähr 300 Menschen, wobei die eine Hälfte aus Madrid und die andere nach Angaben der Organisatoren aus Katalonien kam. Die Menge skandierte nicht nur Sprechchöre gegen Einwanderung und Separatismus, sondern bezeichnete sich auch als die »Jugend Spaniens«, die angetreten sei, eine »Revolution« anzustoßen und »das Land zu verteidigen«. Von ihrem Treffpunkt, dem Spanien-Platz, zogen die überwiegend männlichen Faschisten auf den nahen Hügel MontjuÏc, um ihren Festakt abzuhalten. Wie die Wochenzeitung La Directa berichtete, erneuerte Peña seine Ankündigung, dass bei einem Loslösungsversuch eines Landesteils Blut fließen werde, zwei weitere Redner drohten Separatisten mit dem Tod.

Der in der Provinz Barcelona für Hassdelikte zuständige Staatsanwalt Miguel Ángel Aguilar teilte der Jungle World auf Anfrage mit, dass die Äußerungen der Faschisten noch Gegenstand von Untersuchungen seien. Wiederholt hatten die Faschisten auch gerufen: »Artur Mas, cámara de gas«. Mit diesen Worten hatten sie dem Präsidenten Kataloniens, Artur Mas, den Tod in der Gaskammer gewünscht. Ob dies strafrechtlich relevant sei, wollte Aguilar zunächst nicht beantworten. Die Pressestelle der Polizei gab am Tag nach der Kundgebung an, dass ihr nichts über diese Rufe bekannt sei.
In Spanien äußern sich Faschisten unverhohlener als in Deutschland. Manche bezeichnen sich sogar im Fernsehen als solche und stehen zu ihrem Rassismus. Die Diktatur unter General Francisco Franco, der 1975 starb, hat tiefe Spuren hinterlassen. In der derzeitigen Regierungspartei Partido Popular (PP) sammelten sich viele Funktionäre der Franco-Diktatur. Vom franquistischen Milieu distanziert sich der PP auch heutzutage nicht. Zu sehen war dies am Nationalfeiertag: Auf der auch vom PP veranstalteten Großkundgebung in Barcelona waren Vertreter faschistischer Gruppen im Publikum. Das Veranstaltungsbündnis hatte niemanden von den Feierlichkeiten ausschließen wollen und sich nur von illegalen Inhalten distanziert.
Im Frühjahr besuchte die Vertreterin der spanischen Regierung in Katalonien eine Feierstunde für die »Blaue Division«, die Franco zur Unterstützung der Nazis im Krieg gegen die Sowjetunion geschickt hatte. Im Lauf des Jahres tauchten etliche Fotos im Internet auf, auf denen Funktionäre der PP-Jugend aus mehreren Landesteilen mit der franquistischen Flagge, erhobenem rechten Arm und zum Teil mit Nazisymbolen posieren. Hinzu kommt, dass viele große Medien dem PP nahestehen. So konnte der AN-Vorsitzende Peña wenige Tage nach dem Angriff auf die katalanische Feierstunde in der für reaktionäre Aussagen bekannten abendlichen Gesprächsrunde des landesweiten Fernsehsenders Intereconomía auftreten.
Begünstigt wird das offene Auftreten der Faschisten auch durch die bisherige Gesetzeslage. Faschistische Symbole sind in Spanien erlaubt, nur in Fußballstadien darf man sie nicht zeigen. Doch eine Veränderung steht in Aussicht. Drei Jahre, nachdem die entsprechende EU-Richtlinie auch in Spanien hätte Anwendung finden sollen, passe die spanische Regierung nun die Rechtslage im Bereich von Diskriminierung und Volksverhetzung an, sagt Staatsanwalt Aguilar. Dazu gehöre, dass Holocaust-Leugnung strafbar sein werde. »Sobald das Gesetz, wahrscheinlich Ende des Jahres, verabschiedet wird, verfügen wir über ein mächtiges Instrument zur Verfolgung von Hassverbrechen«, versichert Aguilar.
Spanien lege nun auch als eines der letzten europäischen Länder Datenbanken zu Hassverbrechen an, sagt der Staatsanwalt. Mehrere EU-Institutionen und Menschenrechtsorganisationen hätten jahrelang den Mangel an Statistiken und folglich eine Verschleierung des tatsächlichen Ausmaßes faschistisch motivierter Gewalt beklagt. Nun seien die technischen Grundlagen landesweit geschaffen. Eventuell schon Ende des Jahres gebe es die ersten, europaweit vergleichbaren Statistiken.