Die Niederländer wehren sich. Der »Zwarte Piet« soll schwarz bleiben

Pfeffernüsse und Volkszorn

Die Vereinten Nationen untersuchen, ob die Figur »Zwarte Piet«, die in den Niederlanden den Helfer des Nikolaus darstellt, rassistisch ist. Dagegen gibt es große Proteste.

500 Menschen kamen am vergangenen Samstag in Den Haag zu einer Demontration zusammen. Ihr Ziel: Zwarte Piet, den Diener der beliebten Brauch­tumsfigur Sinterklaas (der Heilige Nikolaus) »schwarz zu halten«. Als »supergezellig« hatte die Initiatorin Mandy Roos ihre Kundgebung »gegen die UN, für Zwarte Piet« angekündigt. Was man darunter verstehen muss: Sinterklaas-Schlager, Dutzende schwarz geschminkte Gesichter mit dicken roten Lippen und Afro-Perücken, die sich gegenseitig versicherten, ihr geliebtes Fest sei die Harmlosigkeit schlechthin.
Quinsy Gario, ein Künstler von den niederländischen Antillen, war zu diesem Zeitpunkt schon abgetaucht. Er erhält dieser Tage regelmäßig Drohungen, in Internetforen schimpft man ihn »Landesverräter« und fordert, ihn »in sein Herkunftsland abzuschieben«, weil er bei der Amsterdamer Stadtverwaltung beantragt hatte, den volksfestähnlichen Einzug von Sinterklaas Mitte November ohne dessen schwarzen Knecht abzuhalten. Gario sieht in dem Brauch ein »koloniales Aufstoßen«, 150 Jahre nachdem die Niederlande die Sklaverei abgeschafft haben.

Die Diskussion um die kolonialen Elemente des Sinterklaas-Festes ist nicht neu (Jungle World 46/12). Vergangene Woche aber eskalierte sie, als bekannt wurde, dass eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen die Frage untersuchen würde. Organisationen wie die »Stiftung Sklaverei-Vergangenheit« hatten bei der UN geklagt. Verene Shepherd, die Vorsitzende der Arbeitsgruppe, regte schon vor Beginn der Untersuchungen in einem Fernseh-Interview an, das Fest zu verbieten. Wütende Proteste waren die Antwort.
Internationale Medien stürzten sich vor allem auf eine Facebook-Kampagne für die Beibehaltung des Brauchs des Zwarte Piet, die in nur zwei Tagen zwei Millionen Likes erhielt. In Deutschland empfinden es viele als kreativ und fröhlich, wie »die Niederländer für ihren Nikolaus kämpfen« (Stern). Derweil erleben Migrantinnen und Migranten zwischen Maastricht und Groningen dasselbe Phänomen: Fast alle ihre niederländischen Freundinnen und Freunde versichern, Zwarte Piet sei sicher nicht rassistisch »gemeint«, sondern Teil eines Kinderfests und damit vollkommen harmlos. Tatsächlich haben die wenigsten von ihnen rassistische Ambitionen. Und es muss gesagt werden: Sie lieben ihren Piet, als Diener zwar, aber keineswegs als Untermenschen. Er gehört zum Brauchtum wie die Pfeffernüsse, die ab November allenthalben vertilgt werden. Manche widersprechen dem Vorwurf des Rassismus gar mit dem Argument, Piet sei schwarz, weil er der Legende nach mit seinen Geschenken durch den Schornstein gekrochen ist.

Unübersehbar aber ist der Rahmen dieser Debatte politisch. Etwa, wenn ein Sprecher auf der Website des Boulevardblatts Telegraaf in Piet-Aufmachung die Nachrichten liest. Dieselbe Zeitung erklärt ihrem Publikum, eine kleine »linke Elite« in Amsterdam wolle der fröhlichen Mehrheit ihr geliebtes Fest verderben. Ganz zufällig fand sich am selben Tag eine Seite weiter die große Überschrift: »Wir sind noch zu tolerant.«
Ein aussagekräftiges Detail am Rande: Geert Wilders, der sich gern als Anwalt der hart arbeitenden, weißen Niederländer inszeniert, war nie weniger umstritten als in dieser Debatte. »Die UN wollen das Ende vom Sinterklaasfest. Ich will das Ende der UN. Sie auch?« twitterte er, und hat damit den Finger dicht am Puls der Bevölkerung, die in diesen Tagen zusammenrückt. Man beruft sich auf »unsere Kultur«, »unser Land«, »unsere Tradition«, und bezieht so Stellung gegen die UN als äußeren Feind.
»New York« erscheint dabei fast als Verlängerung von EU und »Brüssel«. Supranationale Organisationen werden so zum Synonym für Diktat, Einmischung und Spaßverderberei. »Es ist ein Run entstanden auf Zwarte-Piet-Kostüme«, schreibt der Telegraaf zuletzt genüßlich und freut sich auf »extra viele Pieten dieses Jahr«. Die UN-Vertreter haben also reichlich Anschauungsmaterial, wenn sie bald zur Untersuchung anreisen.