Der Schriftsteller Hamed Abdel-Samad ist in Ägypten verschwunden

Verschwunden in Kairo

Der Publizist Hamed Abdel-Samad ist in Ägypten vermutlich entführt worden.

Seit Tagen stehen diejenigen, die die Nachrichten über das Verschwinden des Publizisten Hamed Abdel-Samad verfolgen, vor einem Rätsel. Die Nachrichtenlage ist schlecht. In der Nacht zu Montag hatte das ägyptische Nachrichtenportal al-Youm al-Sabi’ Aussagen von Abdel-Samads Bruder Mah­moud veröffentlicht, wonach sich seine Spur am Sonntagnachmittag in Kairo verloren habe. Auf dem Weg von seinem Hotel an der Corniche zum Azhar-Park habe Hamed telefonisch mitgeteilt, dass er von einem schwarzen Auto verfolgt werde. Dann sei der Kontakt abgerissen. Aufgrund einer Bitte der deutschen Botschaft stehe Abdel-Samad eigentlich ein Leibwächter zur Verfügung, da er jedoch einen »besonderen Job« gehabt habe, sei er ohne ihn unterwegs gewesen. Da Hamed in der Vergangenheit Morddrohungen von Islamisten erhalten habe, könne Mahmoud nicht ausschließen, dass sein Bruder entführt worden sei.
Gegenüber BBC Arabic und der arabischen Redaktion der Deutschen Welle erklärte Mahmoud Abdel-Samad am Montag, er habe bei der Polizei jene Islamisten der Entführung beschuldigt, die vor einigen Monaten zur Tötung seines Bruders aufgerufen haben, das waren Abd al-Majid von der militanten islamistischen Gruppe Jamaa Islamiya und Sheikh al-Howeiny. Jedoch, so heißt es in den Artikeln, habe er gleichzeitig auch andere Personen beschuldigt, mit denen sein Bruder »physische Auseinandersetzungen« gehabt habe. Eine Meldung, die zunächst vom Portal Sada el-Balad und später auf al-Ahram veröffentlicht wurde, berief sich in diesem Zusammenhang auf Aussagen einer Quelle aus der Polizeidirektion Kairo. Demnach habe Mahmoud Abdel-Samad, selbst Vorstandsmitglied eines ägyptischen Unternehmens, neben dem Islamisten Abd al-Majid einen Geschäftsmann aus seinem Unternehmen beschuldigt. Vorläufige Informationen würden nach Aussagen der Quelle »auf Finanztransaktionen zwischen beiden Seiten« hinweisen. Am Dienstag erklärte eine Quelle aus Sicherheitskreisen dann gegenüber al-Youm al-Sabi ’, der Autor sei an verschiedenen privatwirtschaftlichen Projekten finanziell beteiligt und habe zuletzt mit mehreren Geschäftsleuten Auseinandersetzungen gehabt. Gegenüber dem Privatsender ON TV ergänzte Mah­moud Abdel-Samad, dass diese rund 250 000 Euro Schulden bei seinem Bruder hätten. Wohl deshalb werden in Sicherheitskreisen kriminelle und nicht politische Hintergründe vermutet.

Trotz der schlechten Informationslage befürchten viele das Schlimmste und thematisierten den is­lamistischen Terror gegen die freie Meinungsäußerung. Abdel-Samads Verleger Mohamed Hashim vom Merit-Verlag sprach gegenüber diversen ägyptischen Zeitungen von einem »bedauerlichen Ereignis«, das wieder ins Gedächtnis rufe, was die Schriftsteller Nagib Mahfuz und Nasr Hamed Abu Zaid erlitten hätten. Mahfuz wurde von einem islamistischen Messerstecher schwer verletzt, Zaid ging nach islamistischer Hetze und Justizverfolgung ins Exil. Hashim fügte hinzu: »Ich bin sehr besorgt um sein Leben und seine Unversehrtheit, zumal der Vorfall einen massiven Verdacht gegen die extremistischen religiösen Strömungen aufkommen lässt. Hat doch Sheikh al-Howeiny erklärt: ›Er ist ein Ketzer!‹« Abdel-Samad habe sich nicht einschüchtern lassen, nachdem die Islamisten im Sommer nach seinen polemischen Äußerungen über den religiösen Faschismus seine Tötung zur Pflicht erklärt hatten. Vielmehr habe er gerade sein neues Buch fertiggestellt mit dem Titel »Religiöser Faschismus«.
Ein andererer Verleger, Adel al-Masry, forderte den ägyptischen Schriftstellerverband auf, aktiv zu werden, und bot im Namen des Verlegerverbands Unterstützung an. Niemand habe das Recht, die Freiheiten anderer Menschen zu unterdrücken. Dies komme nur dem Staat zu. Solche terroristischen Akte müssten ein Ende haben.
Der Schriftsteller Hisham Aslan sagte, dass die Terroristen in den Intellektuellen ihren Hauptfeind sähen und sie deshalb zu Apostaten erklärten. Er betonte die Ironie, dass derzeit Absätze über den Schutz der Religionen in den neuen Verfassungsentwurf aufgenommen würden, während jene, die die Meinungsfreiheit bedrohen, ungestraft blieben. So lieferte er ungewollt einen kritischen Kommentar zur Aussage al-Masrys.

Anmerkung der Redaktion:
Hamed Abdel-Samad wurde nach Redaktionsschluss am Abend des 26. November von seinen Entführern leicht verletzt freigelassen. Die seitdem bekannt gewordenen Informationen deuten darauf hin, dass das Motiv der Entführer geschäftlicher Art war. Abdel-Samad hat sich bislang nicht zu den Hintergründen geäußert.