Der Umgang des Bundeslandes Brandenburg mit Flüchtlingen

Deinen Geburtstag bestimmen wir

Im Umgang mit Flüchtlingen zeigt sich das Bundesland Brandenburg einfallsreich. Das ist dem Wohl der Asylsuchenden jedoch nicht unbedingt zuträglich.

Auch Behörden können manchmal durch kreative Lösungen auffallen. Mitte November erhoben 14 jugendliche Flüchtlinge in der Erstaufnahmestelle im brandenburgischen Eisenhüttenstadt den Vorwurf, die Mitarbeiter der Ausländerbehörde hätten pauschal und ohne Prüfung ihre Minderjährigkeit nicht anerkannt. Nach ihrer Ankunft in der Einrichtung hätten einige ihre somalischen Geburtsurkunden gezeigt. Doch diese seien nicht akzeptiert worden. Stattdessen hätten die Jugendlichen neue Papiere erhalten, die sie allesamt als volljährig auswiesen und eine große Überraschung bereithielten. Allen Flüchtlingen sei dasselbe Geburtsdatum gegeben worden: 31. Dezember 1994.
Tatsächlich sei es nicht entscheidend, ob die Jugendlichen volljährig seien oder nicht, sagte Niels Espenhorst vom »Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge« der Taz. Wenn jemand angibt, minderjährig zu sein, müsse er erst einmal vom Jugendamt in Obhut genommen werden. »Eine seriöse Überprüfung des Alters und des Hilfebedarfs des Jugendlichen dauert mehrere Monate«, so Espenhorst. In den vergangenen Monaten hatte er die zuständigen Jugendämter, die Ausländerbehörde und das Asylbewerberheim in Eisenhüttenstadt besucht. In keinem anderen Bundesland herrsche so viel Gleichgültigkeit gegenüber den Flüchtlingen, sagte er der Taz.

Der Umgang mit Flüchtlingen, die zwischen 16 und 17 Jahre alt sind, ist in Brandenburg tatsächlich hart. Grundsätzlich werden sie in Gemeinschaftsunterkünften für Erwachsene untergebracht und kommen nicht in den Genuss von Jugendhilfe. In den Unterkünften fehlen Freizeitangebote und gleichaltrige Mitbewohner.
Die derzeitige Überbelegung in Eisenhüttenstadt (Jungle World 43/13) soll durch die Belegung ehemaliger Kasernen beendet werden. Ab Mitte Dezember sollen 80 Flüchtlinge aus Syrien in einem leerstehenden Gebäude der ehemaligen Oderland-Kaserne in Frankfurt/Oder einquartiert werden. Am Stadtrand gelegen, soll das Objekt als »strategische Reserve« für die Erstaufnahmestelle dienen. Die Nutzung der neuen Außenstelle ist vorerst bis zum 31. März 2014 befristet. Ein Sozialarbeiter und drei Wachschützer sollen dort eingesetzt werden. In der Zwischenzeit sollen in Eisenhüttenstadt Wohncontainer für Flüchtlinge aufgestellt werden, eine längst überfällige Maßnahme.
Eine andere Art, der Überbelegung Herr zu werden, kritisiert der Brandenburger Flüchtlingsrat. Er wirft dem Land Brandenburg vor, Menschen trotz Krankheit und Schutzbedürftigkeit »ohne Rücksicht auf Verluste« abzuschieben. Anwälte und behandelnde Ärzte würden nicht rechtzeitig informiert. Ohne Ankündigung seien schwer traumatisierte Asylbewerber und Kinder abgeschoben worden. Mehrere Fälle sind dem Flüchtlingsrat bekannt. Es handele sich um Asylbewerber, die unter anderem in Oranienburg, Luckenwalde, Forst und Wandlitz untergebracht waren. Diese Strategie der harten Hand spiele den Rechtsextremen in die Hände, so der Vorwurf des Flüchtlingsrats. Außerdem stehe das derzeitige Vorgehen im Widerspruch zu dem Beschluss des Brandenburger Landtags von Mitte November, das »friedliche Zusammenleben zu fördern« und die »Willkommenskultur in Brandenburg zu stärken«.

Mitten in die besinnliche Vorweihnachtszeit platzte eine weitere unfrohe Botschaft aus dem märkischen Land: Die Praxis im Landkreis Oberhavel, Flüchtlingen staatliche Leistungen teilweise in Gutscheinen auszuzahlen, wurde vom Sozialgericht Neuruppin bestätigt. Drei Asylbewerber aus Kenia und Togo sowie eine afghanische Familie aus Hennigsdorf sind mit ihrem Widerspruch gescheitert. Die Sozialrichterin Catleen Förster erklärte die Praxis des Landkreises, Gutscheine statt Bargeld auszugeben, für rechtens. Bargeld müsse nur ausgehändigt werden, wenn die Vergabe einer anderen Leistung nicht möglich sei, zitierte die Märkische Allgemeine aus der Entscheidung. Der Brandenburger Flüchtlingsrat kritisiert die inhaltliche Begründung als mangelhaft. Er hatte bereits zur Unterstützung aufgefordert, als im Juni 2011 die Flüchtlinge in Stolpe-Süd den Boykott gegen die monatlich ausgegebenen Gutscheine ausgerufen hatten. Die damaligen Proteste und zahlreichen Demonstrationen vor dem Landratsamt in Oranienburg änderten jedoch nur wenig an der Praxis. Obwohl der Kreistag sich zweimal für die Ausgabe von Bargeld aussprach, wurde der Bargeldanteil nur geringfügig erhöht. Dem Flüchtlingsrat zufolge ignoriert Landrat Karl-Heinz Schröter (SPD) stur diese politischen Entscheidungen. So bleibt der Landkreis Oberhavel einer von zwei Landkreisen und kreisfreien Städten in Brandenburg, in denen weiterhin am Gutscheinsystem festgehalten wird.
Für das kommende Jahr will die rot-rote Regierungskoalition 12,7 Millionen Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen bereitstellen. Allein 7,7 Millionen Euro sind für die zentrale Erstaufnahmestelle des Landes in Eisenhüttenstadt vorgesehen, unter anderem für zusätzliche Wohncontainer und mehr Betreuung. Mit fünf Millionen Euro will die Landesregierung zudem die Kommunen dabei unterstützen, die Flüchtlinge unterzubringen. »Wir wollen damit ein deutliches Signal setzen, dass wir die Kreise und kreisfreien Städte nicht damit allein lassen, die Asylbewerber unterzubringen, sondern wir stellen ihnen zusätzliches Geld über die gesetzlichen Verpflichtungen zur Verfügung«, begründete der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Ness die Aufstockung der Mittel. Ob von den 12,7 Millionen Euro auch Bargeld für die Flüchtlinge abfällt, sagte er nicht.