Brand in einer chinesischen Textilfabrik in Italien

Gefährliche Mode

Der Tod chinesischer Arbeitsmigranten in einer Textilfabrik in Italien hat auf deren miserable Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht. Von der Ausbeutung profitieren nicht nur chinesische Unternehmen.

»Sie leben und arbeiten in Verschlägen, die an Auschwitz erinnern.« Der unangebrachte Vergleich des Regionalpräsidenten Enrico Rossi machte Schlagzeilen. Für wenige Tage schafften es die Arbeits- und Lebensbedingungen der chinesischen Textilarbeiterinnen und -arbeiter in der toskanischen Kleinstadt Prato auf die Titel­seiten. Am Abend des 1. Dezember war in einer Fabrikhalle mutmaßlich durch den Kurzschluss eines Elektroofens ein Großbrand ausgebrochen. Fünf Männer und zwei Frauen starben in den Flammen, zwei weitere Personen erlitten schwere Verbrennungen. Sie lebten in der Arbeitshalle auf einem provisorischen Hängeboden, in mit Gipspappe unterteilten winzigen Zellen, kaum groß genug für ein Matratzenlager. Weil die abgedunkelten Fenster von außen vergittert waren, blieben sie im Feuer eingeschlossen.

Prato ist durch seine Woll- und Stoffherstellung berühmt geworden. Doch seit den achtziger Jahren ist die einheimische Textilproduktion auf dem Modemarkt nicht mehr wettbewerbsfähig. Einträglicher wurde es seither, die ehemaligen Fabrikhallen an chinesische Textilunternehmer zu vermieten, die nicht nur Billigwaren importieren, sondern an Ort und Stelle »Fast Fashion« produzieren. Mehr als 30 000 offiziell registrierte chinesische Migrantinnen und Migranten bilden in Prato eines der größten Chinatowns in Europa. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der chinesischen Unternehmen in Prato verdreifacht, über 3 000 Modefirmen sind im Handelsregister der Stadt eingetragen. Auch die ausgebrannte Firma Teresa Moda betrieb eine Modeproduktion just in time, die auf der Imitation aktueller Modetrends fußt und in kürzester Zeit immer neue Kollektionen in hohen Stückzahlen zu niedrigsten Preisen an die internationalen Handelsketten ausliefern kann. Produziert wird vorwiegend nachts und an den Wochenenden, weil sich so die staatlichen Kontrollen besser vermeiden lassen.
Dennoch ist seit Jahrzehnten bekannt, dass in Prato »Made in Italy« unter Bedingungen produziert wird, wie man sie aus Südostasien kennt. Allein in diesem Jahr wurden bei Inspektionen 600 Lagerhallen geschlossen und über ein Viertel der kontrollierten Unternehmen wegen Verstößen gegen die Gebäudeordnung, Brand- und Arbeitsschutzbestimmungen, vor allem aber wegen der Beschäftigung »Illegaler« angezeigt. Eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft hat er­geben, dass von Prato durch ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, Zollschmuggel, Markenfälschung und Steuerbetrug in vier Jahren über eine Milliarde Euro illegal nach China transferiert wurden.
In den Augen der Justizbehörden liegt die Verantwortung dafür, dass die Repressionsmaßnahmen langfristig ohne Wirkung blieben, bei der Regierung. Sie verhindere zugunsten nationalen Interesses am Handel mit China eine effiziente Strafverfolgung. Gewerkschaftsvertreter forderten, das Aufenthaltsrecht derjenigen abzusichern, die die unwürdigen Arbeitsbedingungen anzeigten, beklagten aber gleichzeitig die Undurchlässigkeit und mangelnde Zusammenarbeit der chinesischen Arbeiterschaft. Unverhohlen kamen selbst in den Tagen der offiziellen Trauer die rassistischen Vorurteile gegen eine vermeintlich unmoralische und kriminelle Community zum Ausdruck. Doch haben die Einheimischen an den illegalen Geschäften stets mitverdient. Wenige Tage nach der Brandkatastrophe wurden zwei städtische Angestellte unter Hausarrest gestellt, die gegen Schmiergeldzahlungen Aufenthaltsgenehmigungen ausgestellt und Kontrollen verhindert haben sollen. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung und Begünstigung der Ausbeutung illegaler Arbeitskräfte nicht mehr nur gegen die chinesischen Inhaber und Geschäftsführer der abgebrannten Firma, sondern erstmals auch gegen den italienischen Vermieter der Fabrikhalle. Seither scheint in Prato die Bürgerschaft aufgeschreckt zu sein. Anwälte raten ihren Klienten, auf die Mieteinnahmen gegebenenfalls zu verzichten und irreguläre Nutzungsverhältnisse umgehend zu kün­digen oder zur Anzeige zu bringen.