Zwei Fäuste für Europa

Vitali Klitschko hat in seiner Karriere 45 Kämpfe gewonnen, davon 41 durch K.o., so dass sein Kampfname Dr. Eisenfaust nicht unpassend erscheint. Da kann es doch nicht so schwierig sein, in einem 42. Kampf die Ukraine zu retten. Deswegen gründete Klitschko vor knapp vier Jahren die Udar (Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen), die Abkürzung bedeutet übersetzt etwa »Schlag« oder »Fausthieb« und ist somit ideal auf den Parteichef zugeschnitten. Über 30 000 Mitglieder hat die Partei inzwischen, bei den Wahlen im Oktober erreichte sie 13,9 Prozent der Wählerstimmen und ist nun drittstärkste Partei im Parlament. Bereits seit der sogenannten Orangenen Revolution vor neun Jahren ist Vitali Klitschko in der ukrainischen Politik aktiv. Bei den Bürgermeisterwahlen in Kiew 2006 unterlag er nur knapp Leonid Tschernowezkyj. Bei den Protesten, die seit drei Wochen die Westukraine im Ausnahmezustand halten, ist Klitschko einer der wichtigsten Vertreter der proeuropäischen Opposition. Am Sonntag rief er beim »Marsch der Millionen« zu einem Generalstreik auf, er sagte: »Wer nicht in einem Polizeistaat leben will, sondern in einem modernen Land, sollte nicht gleichgültig bleiben.« Am 3. Dezember hatte er im Parlament bei einem Misstrauensvotum gegen den amtierenden Ministerpräsidenten Mykola Asarow gestimmt. Das Misstrauensvotum scheiterte.
Auch die CDU und Kanzlerin Angela Merkel unterstützen den WBC-Boxweltmeister bei seinen politischen Ambitionen. Auf einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung sagte Vitali Klitschko: »Die ukrainische Politik ist im Vergleich zum Boxen ein Kampf ohne Regeln.« Der Spiegel mutmaßt, dass die konservativen Parteien in der EU Klitschko zum Gegenkandidaten des Präsidenten Viktor Janukowitsch machen wollen. Die Udar ist eine proeuropäische Partei, für die Mitglieder gehört die Ukraine kulturell zu Europa, auch wenn das Land wirtschaftlich stark von Russland abhängig und völlig marode ist. Die Partei tritt im Bündnis mit Julia Timoschenkos Vaterlandspartei und den Rechtsextremisten von Swoboda gegen Janukowitsch an und fordert dessen Rücktritt. Vitali Klitschko möchte Präsident werden, und da Julia Timoschenko weiterhin inhaftiert ist, ist er sogar einer der aussichtsreichen Kandidaten bei neu angesetzten Präsidentschaftswahlen. Vielleicht fordert Präsident Eisenfaust dann den Judoka Wladimir Putin heraus.