Über »Commonisten« und Kommunismus

Kommunismus durch die Hintertür?

Die Anhänger der »Keimform-Theorie« bezeichnen die Commons als die Grundlage einer neuen Produktionsweise, die den Kapitalismus aufheben könne. Neu ist dieser Gedanke nicht.

Seit Elinor Ostrom im Jahre 2009 für ihre Forschungen zur Allmende (Commons) mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde, ist auch eine in der deutschen Linken bis dahin marginale Strömung populärer geworden, die allerdings mit der Arbeit der Ausgezeichneten lediglich begrifflich etwas gemeinsam hat. Denn während Ostrom sich bei ihren Feldstudien zu den Commons auf den Nachweis konzentrierte, dass die gemeinwirtschaftliche Nutzung natürlicher Ressourcen unter Umständen nachhaltiger gelingen kann als durch privates oder öffentliches Eigentum, und damit auf dem klassisch agrarischen Terrain der Allmende verblieb, die sie ausdrücklich als Ergänzung der anderen Eigentumsformen verstanden wissen wollte, sehen die radikaleren Anhänger der Commons-Theorie darin ein Ansatz zur Aufhebung des Kapitalismus.
Die Schwierigkeit, sich dieser Strömung zu nähern, beginnt bereits beim Begriff. Selbst Silke Helfrich, die den »Commonsblog« betreibt, antwortet auf die selbstgestellte Frage, was Commons eigentlich seien, dass es eine wissenschaftliche Definition der Gemeingüter kaum geben könne. Auch die Definitionen der Anhänger der Keimform-Theorie (keimform.de) verbleiben allzu häufig im Nebulösen. Man muss daher dem marxistischen Blogger Wolfram Pfreundschuh (kulturkritik.net) für folgende griffige Einordnung dankbar sein: »Die Theorie von der Keimform will diese als eine gesellschaftliche Alternative innerhalb der bestehenden Gesellschaft setzen, die sie von innen her dadurch überwindet, dass neue Gemeinschaften, Güter, Werkzeuge und Ressourcen entwickelt werden und ›heranwachsen‹, die durch freiwillige Beiträge quasi urwüchsig aus dem Betreiben einer ›authentischen‹ Tätigkeit, die für sich schon sinnvoll sein will, entstehen und deren Produkte dann als frei verfügbare Gemeingüter gehalten werden.«

Es geht also um nichts weniger als »um eine Gesellschaft der allgemein-menschlichen Emanzipation oder auch Reich der Freiheit«, wie Uli Weiß in seinem programmatischen Abriss »Was will die Keimform-Theorie?« schreibt, der auch eine Antwort auf Pfreundschuh sein will. Das Morgen schon im Heute zu suchen, haben sich ihre Vertreter auf die Fahnen geschrieben – und dabei die Commons gefunden. Wenn über verfügbare Gemeingüter geredet wurde, dann zumeist im Sinne des Staatseigentums, das von den Keimform-Theoretikern aber explizit nicht gemeint ist, oder eben staatlich garantierte Rechte für zumeist ländliche Gemeinschaften. Dies betraf etwa Wegerechte oder den Zugang zu Wald oder Weiden, die exklusiv für genau umrissene Personenkreise nutzbar blieben. Für die »Commonisten« sind dagegen vor allem die Open-Source-Initiativen vorbildlich geworden, die angeblich Produktion im modernsten Sinne und die Aufhebung des Privateigentums repräsentieren.
Antonio Negri und Michael Hardt hatten solche Ideen bereits Anfang dieses Jahrtausends in ihrem Buch »Empire« formuliert: »Indem sie ihre eigenen schöpferischen Energien ausübt, setzt die immaterielle Arbeit das Potential für eine Art des spontanen und elementaren Kommunismus frei«, heißt es dort. Für Weiß, dem auch nicht mehr als der Hinweis auf Open-Source-Software oder Wikipedia einfällt, sind es dann auch gleich die immateriellen Tätigkeiten des general intellect, »die über den Reichtum entscheiden« und gleichzeitig zumindest teilweise Antizipationen einer neuen Produktionsweise darstellen sollen. Während aber Negri diese Potentiale immerhin zunächst noch vom »kapitalistischen Regime über die Arbeitskraft« befreien wollte, argumentieren seine Nachfolger evolutionärer. »Keimformen einer solchen Vergesellschaftung zeigen sich also in jenen Assoziationen und nur in denen, an denen die Menschen eben nicht als bürgerliche ­Individuen teilhaben«, schreibt Weiß.
Natürlich wissen auch die Commons-Enthusiasten, dass die Menschen in einer hoch arbeitsteilig organisierten warenproduzierenden Gesellschaft leben und die zum Leben notwendigen Güter zunächst in Lohnarbeit produzieren und anschließend käuflich erwerben müssen: »Doch in dem Maße, in dem dieses Bedürfnis nach Freiheit zunimmt und indem die freien Assoziationen immer weitere Bereiche der Warenwelt auch dadurch bedrängen und als historisch überlebt nachweisen, dass sie ›wertlose‹ nützliche Dinge zum allgemeinen Gebrauch herstellen, wächst die materielle Basis dieses neuen Denkens und Fühlens.« Die Absage an den »Kampf der Klassen« zugunsten eines »Denkens und Fühlens« passt ins Bild dieses durch die Hintertür kommenden Kommunismus. Dass all dies im besten Fall auf ein Genossenschaftswesen hinauslaufen kann, wird zwar immer wieder bestritten, liegt aber auf der Hand, wenn die Produktion von Commons auch nur ansatzweise die virtuelle Welt verlassen soll. Was im schlechteren Falle winkt, kann am Beispiel Negris nachvollzogen werden. In »Commonwealth« ist die Forderung nach von den Regierungen geförderten Commons zur Ergänzung von Grundeinkommen und enthierarchisiertem Bildungszugang verkommen. Als »Grundlage einer neuen Produktionsweise«, wie es Stefan Meretz auf keimform.de formuliert, fungieren die Gemeingüter demnach in allen ihren Varianten ganz offensichtlich nicht.