Das Verbotsverfahren gegen die NPD

Verbot ohne V-Leute?

Der zweite Verbotsversuch kommt für die NPD nicht überraschend. Trotz ihres desolaten Zustands gibt sich die Partei siegessicher.

Als Anfang Dezember beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zum zweiten Mal ein Antrag auf Verbot der NPD einging, war man in der Partei natürlich alles andere als überrascht. Seit einem Beschluss der Innenministerkonferenz im Dezember 2012 war dies absehbar gewesen. Das erste Verbotsverfahren war wegen der umfassenden Infiltrierung der Partei durch V-Leute des Verfassungsschutzes bis in die Führung im Jahr 2003 kläglich gescheitert. In der Begründungsschrift zum Verbotsantrag stellten die Bundesländer dieses Mal den Nachweis in den Mittelpunkt, zwischen der NPD und der NSDAP bestehe eine Wesensverwandschaft. Das dazu nötige Belastungsmaterial soll vollständig ohne das Zutun von V-Leuten zustande gekommen sein. Das versicherten die Innenminister. Mit der Kampagne »Wer verbietet, dem gehen die Argumente aus – Echte Demokratie braucht keine Verbote« hatte die NPD seit Monaten um Unterstützung im bevorstehenden Verfahren geworben. In einem Akt der Vorwärtsverteidigung hatte die Partei beim Verfassungsgericht sogar einen Antrag auf Feststellung ihrer Verfassungstreue eingereicht, der allerdings abgelehnt wurde. Wie die »Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus« in Berlin im Gespräch mit der Jungle World bestätigt, war die Parteiführung in den vergangenen Monaten deutlich bemüht, sich zurückzuhalten und keine Belege für eine »aggressiv-kämpferische Grundhaltung« zu liefern, die eine wichtige Vorrausetzung für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit darstellt. Nachdem der erwartete Antrag in Karlsruhe eingegangen war, spulte die Parteiführung um Holger Apfel routiniert ihr Empörungsprogramm ab. In einer Stellungnahme des Parteivorstands ist von der »größten Gefährdung von Demokratie, Selbstbestimmungsrecht und Volkssouveränität in der Geschichte der Bundesrepublik« die Rede. Auf einer Pressekonferenz in der Köpenicker Parteizentrale sprach Apfel von einem Angriff auf die NPD als der »wahren Bewahrerin des Grundgesetzes« und von einem »absurden Possenspiel«. Angesichts der zweifelhaften Erfolgsaussichten des Verfahrens zeigte man sich siegesgewiss. Als Nächstes stellte Apfel Anzeige gegen die deutschen Innenminister wegen Strafvereitelung im Amt. Während die NPD gezielt mit den Morden des NSU in Verbindung gebracht werde, werde die Verwicklung staatlich finanzierter V-Männer in die Mordserie vertuscht, war die Begründung für die Anzeige. Tatsächlich hatte das Bekanntwerden der NSU-Mordserie im November 2011 eine entscheidende Rolle für den zweiten Anlauf zum NPD-Verbot gespielt. Angesichts der öffentlichen Empörung und der direkten Verbindungen des früheren stellvertretenden Thüringer NPD-Vorsitzenden Ralf Wohlleben zu Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe machten sich insbesondere die SPD, die Grünen, die Linkspartei und die CSU für einen erneuten Antrag stark. CDU und FDP lehnten dies wegen der hohen Wahrscheinlichkeit eines erneuten Scheiterns ab. In den offiziellen Verlautbarungen der NPD wird das anstehende Verbotsverfahren als Chance bezeichnet, während der Europa- und Landtagswahlen des kommenden Jahres Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und Unterstützer zu rekrutieren. Hierzu sagte Apfel in der NPD-Zeitung Deutsche Stimme: »Für viele Landsleute, die von den etablierten Volksbetrüger-Parteien die Schnauze voll haben, rückt im Superwahljahr 2014 öffentlichkeitswirksam eine wirkliche politische Alternative in den Fokus, die sonst weitestgehend totgeschwiegen wurde.« In Der Aktivist, der Zeitung der Jungen Nationaldemokraten, verspricht man sich einen gesellschaftlichen »Aufwind« durch das Verfahren. Die kämpferischen und optimistischen Aussagen der Parteifunktionäre können aber über den desolaten Zustand der Partei nicht hinwegtäuschen, die seit der konfrontativen Ablösung von Udo Voigt durch Holger Apfel mit andauernden Querelen, Flügelkämpfen und handfesten Geldsorgen zu kämpfen hat. Sollte der von Apfel eingeschlagene Weg der »seriösen Radikalität« die Partei tatsächlich nicht vor einem Verbot bewahren, würde das für eine große Anzahl von Funktionären und Mandatsträgern der NPD den Verlust ihrer durch die staatliche Parteienfinanzierung bezahlten Gehälter und somit existentielle Sorgen bedeuten – eines der wichtigsten Argumente der Verbotsbefürworter. Interessant könnte nach einem Verbot der NPD die Rolle anderer rechtsextremer Gruppen werden. Nach Einschätzung des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums Berlin (Apabiz) eignet sich beispielsweise die Partei »Die Rechte« nicht als Auffangorganisation für ehemalige NPD-Mitglieder, da zwischen ihr und der NPD derzeit große Konflikte bestehen. Zudem wird bereits über Möglichkeiten diskutiert, auch diese Partei zu verbieten. Im Milieu der freien Kameradschaften gibt es hingegen verschiedene Ansichten. Während einigen Neonazis nach Angaben von Frank Metzger, einem Mitarbeiter des Apabiz, die Lage der NPD gleichgültig sei, da sie den Parlamentarismus ohnehin ablehnen, üben sich andere wie der bayerische Kameradschaftsverbund Freies Netz Süd auf seiner Website in kritischer Solidarität: »Die Aufgabe des Nationalen Widerstandes sollte es bis zur Entscheidung über ein endgültiges Parteiverbot sein, die NPD trotz aller berechtigten Kritik und Zerwürfnisse solidarisch zu begleiten. Betroffen ist die NPD – gemeint sind wir alle!« Hierzu sagt Frank Metzger: »In diesen Kreisen wird die NPD oft als Mittel zum Zweck gesehen. Durch die personellen Überschneidungen von NPD und Freien Kräften profitiert auch dieser Teil der Szene von der durch das Parteienprivileg vereinfachten Nutzung öffentlicher Räume für Konzerte und Demonstrationen sowie von der Parteienfinanzierung – ein Verbot würde also auch hier eine Beeinträchtigung der Aktivitäten bedeuten.« Ob es so weit kommt, ist höchst ungewiss. Ob die Beteuerungen der Innenminister über die vollständige Abwesenheit von V-Leuten in der Führung der NPD der strengen Prüfung des Gerichts standhalten, erscheint insbesondere angesichts der in der Untersuchung der NSU-Morde öffentlich gewordenen Praktiken des Verfassungsschutzes fraglich. Zudem besteht für die NPD die Möglichkeit, nach einer Niederlage vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu ziehen, wo die Bedingungen für ein Verbot noch schwieriger zu erfüllen sind.