Stromkosten für Hartz-IV-Empfänger

Kleine Taschen­lampe, brenn!

Für Hartz-IV-Empfänger ist Elektrizität mittlerweile fast unbezahlbar. Doch statt mehr Geld erhalten sie schlaue Ratschläge.

Wie der Familienkrach zu Weihnachten, so gehört zum Jahreswechsel der Kater. Schlimmer als der Neujahrsbrummschädel dürfte für viele in diesen Wochen allerdings das böse Erwachen sein, wenn die Jahresabrechnungen für Strom, Wasser und Heizung ins Haus flattern. Insbesondere die steigenden Strompreise belasten Empfänger des Arbeitslosengelds II und Geringverdiener. Einer neuen Studie des Vergleichsportals Verivox zufolge, die im Auftrag der Süddeutschen Zeitung erstellt wurde, wird die monatliche Stromrechnung 2014 um etwa ein Fünftel höher liegen als der Regelsatz, der in den Hartz-IV-Leistungen dafür vorgesehen ist. Anders als etwa bei Miete und Heizkosten zahlt das Amt stur eine monat­liche Pauschale von 32,69 Euro, mit der neben dem Strom auch die Instandhaltung der Wohnung bezahlt werden soll. Verivox errechnet für einen durchschnittlichen Einpersonenhaushalt allerdings allein für Strom einen monatlichen Bedarf von 39,42 Euro. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den Hartz-IV-Sätzen auch die sonstigen Lebenshaltungskosten überaus knapp berechnet sind.
Ohnehin steigt seit Jahren die Zahl der Haushalte, denen aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten der Strom abgeklemmt wird. Über die naheliegende Lösung, nämlich Hartz-IV-Sätze, Löhne und Renten, von denen man leben kann, redet allerdings niemand. Wohlmeinende Ratschläge sind viel billiger und es lässt sich in ihnen wunderbar die Unterstellung unterbringen, Arme könnten nun mal einfach nicht mit Geld umgehen.
Wie vor einigen Jahren mit einer Schwemme von Kochbüchern und Selbsterfahrungsberichten bewiesen werden sollte, dass man sich von den 3,81 Euro, die der Staat einem Erwachsenen täglich für Lebensmittel zugesteht, gesund und abwechslungsreich ernähren könne, so schickt man der Unterschicht heutzutage Energieberater ins Haus. Die können zwar nichts gegen die steigenden Kosten ausrichten, haben aber immerhin Binsenweisheiten zu bieten wie etwa, Geräte nicht auf Standby laufen zu lassen oder auf Energiesparlampen umzusteigen. Und selbstverständlich, Stromfresser wie alte Waschmaschinen und Kühlschränke zu verschrotten und sich energiesparende Geräte anzuschaffen – wofür das Amt freilich keinerlei Zuschüsse vorsieht.
Aus der Großen Koalition kommt nun ein neuer Vorschlag: eine »Prepaid-Karte« für Strom – so wie auch unmündige Teenager zu ihrem eigenen Besten eben mit Prepaid-Karten für ihre Mobil­telefone ausgestattet werden. Dies könne dafür sorgen, dass die Kunden »achtsamer und spar­samer mit ihrem Verbrauch umgehen«, sagt Ulrich Kelber, der für die SPD die Koalitionsverhandlungen in der Arbeitsgruppe Verbraucherschutz leitete. Ein Schelm, wer dabei an Kelbers Genossen Thilo Sarrazin denkt, der den Hartz-IV-Empfängern empfahl, mit dicken Pullovern Heizkosten zu sparen. Stromsperren verhindern, wie behauptet, dürfte der Prepaid-Zähler jedenfalls kaum. Vielmehr ist künftig selbst schuld, wer am 20. des Monats im Dunkeln sitzt, man muss ja schließlich nicht unbedingt alle zwei Tage die Kleidung der Kinder waschen. Und täglich warme Küche ist doch auch nicht nötig. Belegte Brote fressen keinen Strom.