Talmi

Wilde Noten

Um hier mal auch etwas Positives zu sagen: Die Beleuchter und Lichtdesigner, die haben’s mittlerweile einfach drauf! Denn es bedarf schon eines gehörigen Technikzaubers, um aus einer besseren Tschibo-Filiale so einen geilen Nespresso-Flagship-Store zusammenzulöten, wie er diverse deutsche Möchtegernmetropolen bereichert. Eine Zier der Innenstadt, ein Wohlfühlort für alle Freunde der Leichtmetalle und der LED! Hei, wie vorweihnachtlich sie da glänzen und funkeln, die guten Nespresso-Kapseln! Und wie es leuchtet, das Gesicht von Bukeela, jener äthiopischen Schönheit, die sich vor Dschungelkulisse schlürfbereit über eine Tasse beugt – natürlich nur auf dem Plakat, das in den Schaufenstern hängt, denn echte Äthiopier haben’s manchmal ganz schön schwer, an Frontex vorbei in deutsche Innenstädte zu kommen. Um so heißer dampft er in ihrer Tasse, der »Pure Origin Lungo«, genauer: »ein feiner blumiger Lungo mit wilden Noten«, und ähnlich wild rumort’s wohl in den zugehörigen Patronen mit Instantkaffee, die sie anpreist, bzw. in den kapselgroßen Hirnen ihrer Werbeväter. Im Äthiopien eines Haile Selassie dauerte die Kaffeezeremonie angeblich Stunden, heiligte Gäste und Gastgeber. Nun gibt es das Arkanum auch in 15 Sekunden ausgepresst, denn wir wollen nicht nur wilde Noten, wir haben’s auch verdammt eilig. Und Bukeela hat schließlich auch was davon: Ihre Kinder, die schon heute bis zu den Knien im Säurebad stehen, um Ressourcen zu recyceln und westliche Nachhaltigkeitsbedürfnisse zu erfüllen, werden sich freuen über die Myriaden verfaulter Kaffeekapseln, aus denen sie, wenn schon nicht Lungo, sondern Kupfer und andere Wertstoffe herauspressen dürfen. Die dann wieder, Wunder der Alchemie, zu eben jenen LED werden, die Bukeela so herrlich ins Licht setzen.