Die NPD will eine »Braune Hilfe« gründen

Aus rot mach braun

NPD-Funktionäre versuchen, eine Hilfsorganisation für inhaftierte Nazis aufzubauen. Doch diese können sich bisweilen recht gut selbst helfen, wie ein Fall aus Mecklenburg-Vorpommern zeigt.

»Nazi sein, heißt Probleme kriegen«, lautet ein beliebter Slogan antifaschistischer Gruppen. Auch wenn sie damit etwas anderes meinen dürften, ist diese Aussage durchaus zutreffend, wenn es um die Probleme von Nazis mit der Justiz geht. Der Anteil vorbestrafter Personen dürfte in keiner anderen politischen Gruppe so hoch sein wie in der extrem rechten Szene. Oftmals verschwimmen dabei die Grenzen zwischen politisch motivierten Straftaten und gewöhnlicher Kriminalität.

So war es auch bei Sven Krüger aus dem als »Nazidorf« bekannt gewordenen Jamel in Nordwestmecklenburg. Als 2011 ein Sondereinsatzkommando der Polizei sein Anwesen in dem Dorf mit 120 Einwohnern durchsuchte, fanden die Beamten bei dem Abrissunternehmer, der auch für die NPD in Wismar im Kreistag saß und dem Landesvorstand angehörte, nicht nur eine Maschinenpistole mit 200 Schuss Munition, sondern zudem sechs gestohlene Baumaschinen. Im Juli 2011 verurteilte das Landgericht Schwerin ihn zu vier Jahren Haft wegen gewerbsmäßiger Hehlerei. Die NPD distanzierte sich öffentlich. Wirklich groß scheint die Kluft zwischen ihr und Krüger jedoch auch in der Folgezeit nicht gewesen zu sein. Noch während er im Gefängnis saß, gründete er den Veritas-Verlag, der umgehend zwei Biographien von Mitgliedern der SA veröffentlichte. Beide Bücher wurden von Autoren verfasst, die kurz zuvor als Kandidaten der NPD für den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern kandidiert hatten: Stephan Jandzinsky und Michael Grewe.
Seit einigen Wochen nun ist Krüger wieder auf freiem Fuß. In einem offenen Brief, den er auf dem Szeneportal »mupinfo.de« veröffentlichte, meldete er sich sogleich bei seinen Kameraden zurück und gab bekannt, er werde »sofort wieder an die Arbeit gehen«. Interessanter als Krügers Traum vom »nationalen Volksstaat« sind allerdings die Passagen seines Briefes, in denen er über seine Haftzeit spricht – und darüber, wie er sie überstanden hat. »Drinnen wie draußen sind wir eine Front«, heißt es da. Mehrfach bedankt sich Krüger bei denjenigen, die ihm und seiner Familie geholfen haben, und spricht dabei sogar ganz explizit von »Geldzuwendungen«.
Krügers offener Brief passt gut zu einer Debatte, die in der Naziszene geführt wird. Bereits Mitte vergangenen Jahres fand im Szenetreffpunkt »Thinghaus« in Grevesmühlen, der passenderweise auf einem Grundstück steht, das 2009 von Krügers Firma »Abriss Krüger« gekauft worden war, ein »Soliabend« statt, bei dem der Taz zufolge ein vierstelliger Euro-Betrag zusammengekommen sein soll. Als Organisator der Veranstaltung gilt Jörn Gronemann, der sich im NPD-Kreisverband Lübeck-Ostholstein betätigt. Bekanntheit erlangte er 2010, als ein von ihm angemeldeter Aufmarsch in Neumünster abgebrochen werden musste, weil er als Versammlungsleiter alkoho­lisiert war, wie die Dithmarscher Landeszeitung damals berichtete. Laut Gerüchten aus der Naziszene wurde zumindest ein Teil des Geldes aus dem »Thinghaus« nicht in »Solidaritätsprojekte«, sondern in Alkohol investiert. Dennoch lag der Veranstaltung offenbar die Idee zugrunde, eine Form gegenseitiger Hilfe gegen staatliche Repression zu institutionalisieren.

Vor kurzem ist nun der Verein in Gründung »Braune Hilfe Schleswig-Holstein« entstanden, in einem Vereinsregister wird er bisher nicht aufgeführt. Als Stichwortgeber für die Sache gilt Jörn Lemke, Landespressesprecher der NPD in Schleswig-Holstein. Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins sollen nach Informationen der Taz neben Lemke unter anderem Jens Lütke, der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD in Schleswig-Holstein, und Simon Stanek, ein NPD-Mitglied aus Bollingstedt im Kreis Schleswig-Flensburg, gehören. Ein Privatkonto Staneks soll als provisorisches Vereinskonto dienen.
Die »Braune Hilfe Schleswig-Holstein« ist nicht der erste Versuch der extremen Rechten, eine Infrastruktur zu schaffen, die »Kameraden« in rechtlichen Schwierigkeiten unterstützt. Daniel Nordhorn, der Taz zufolge ebenfalls Gründungsmitglied des neuen Vereins und Vorsitzender des NPD-Kreisverbands Neumünster-Segeberg, soll bereits 2009 in Kiel versucht haben, einen Verein mit dem Namen »Braune Hilfe« anzumelden. Weit bekannter und aktiver hingegen war die 2011 verbotene »Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.« (HNG). Am 20. April 1979, also am 90. Geburtstag Adolf Hitlers, gegründet, hatte der Verein zwischenzeitlich etwa 600 Mitglieder. Die letzte Vorsitzende war Daniela Wegener. In jungen Jahren wurde sie der neonazistischen »Sauerländer Aktionsfront« zugerechnet, zeitweise galt sie dem Verfassungsschutz sogar als »Führungsaktivistin«. Bei den jüngsten Bundestagswahlen trat sie für die NPD im Hochsauerlandkreis als Direktkandidatin an und holte 1,1 Prozent.

Das Verbot der HNG scheint eine spürbare Lücke hinterlassen zu haben. Einerseits unterstützte sie tatsächlich Dutzende inhaftierte Neonazis, andererseits leistete sie einen beträchtlichen Beitrag dazu, viele von ihnen auch hinter Gittern auf Linie zu halten. Vor allem aber stellte sie ein wichtiges Bindeglied dar zwischen den verschiedenen, oftmals konkurrierenden Flügeln der Naziszene. Immer noch eignet sich kaum ein Thema besser, um in der extremen Rechten für Einigkeit zu sorgen, als die Lage vermeintlicher »politischer Gefangener«. Besonders deutlich wurde das in jüngerer Vergangenheit am Beispiel Erich Priebkes. Die NPD, deren Konkurrenz von der Partei »Die Rechte« und auch die Kameradschaftsszene zeigten sich in der Solidarität mit dem Kriegsverbrecher ungewohnt einträchtig.
Der neuerliche Versuch, in Form der »Braunen Hilfe Schleswig-Holstein« die Grundlagen für eine möglicherweise ähnliche Organisation zu schaffen, dürfte daher vor allem daran scheitern, dass ihm allzu sehr der Stallgeruch der NPD anhaftet – und dann auch noch der eines desaströs aufgestellten Landesverbands. Auch dass er sich ganz offensichtlich an dem linken Vorbild der »Roten Hilfe« orientiert, dürfte einige »Kameraden« abschrecken. Zudem lässt sich der plumpe Name, anders als bei der HNG, sehr leicht als direkter Bezug zum Nationalsozialismus deuten, was dem möglichen Verein eine eher geringe Bestehensdauer bescheren dürfte.
Eine wirkliche Chance könnte die »Braune Hilfe« nur haben, wenn sie schnell tatsächliche Erfolge vorzuweisen. Das aber stellt sich als eher unwahrscheinlich dar. Ohnehin scheint die Unterstützung, wie der Fall Sven Krüger zeigt, auch ohne formelle Strukturen zu funktionieren. Da Neonazis häufig sowieso am Rande der organisierten Kriminalität operieren, wirkt dies auch deutlich angebrachter.