Die neuen Top-Level-Domains sind da

Im Netz wird es bunter

Bald könnten im Netz Websites mit phantasievollen Endungen, wie ».guru«, ».bike oder ».singles« auftauchen. Die Zulassung von neuen Top-Level-Domains macht das möglich.

Wichtig! Unbedingt jetzt kaufen! Sofort! – Seit Anfang Februar werben einige Internet-Anbieter mit einer Vehemenz für die Registrierung neuer Top-Level-Domains (TLDs), dass man den Eindruck bekommen könnte, ohne sie sei es demnächst gar nicht mehr möglich, das Internet zu benutzen. Doch bisher ist der große Sturm auf die neuen Endungen für Webadressen ausgeblieben.
Was sind Top-Level-Domains eigentlich? Im Grunde etwas, was jeder Internetnutzer kennt, selbst ohne es zu wissen: Die bekannteste davon ist ».com«. Dann gibt es ».org«, ».net«, ».info« und noch einige mehr. Diese Gruppe bestand bis vor kurzem aus 22 Endungen – auch bekannt als generische TLDs. Hinzu kamen noch die länderspezifischen TLDs.
Jede dieser TLDs wird von einer Entität verwaltet, im Falle der länderspezifischen Domain-­Endungen manchmal von Genossenschaften. In Deutschland zum Beispiel werden die ».de«­-Domains vom Deutschen Network Information Center (Denic) verwaltet, dem mehr als 280 Unternehmen angehören, darunter praktisch alle bedeutenden nationalen und internationalen Internet Service Provider. In Österreich und in der Schweiz werden diese Domains von Stiftungen, in anderen Ländern direkt von der Regierung verwaltet und sind in diesem Fall einem Ministerium unterstellt.
Die generischen TLDs werden von Firmen betrieben, im Fall von ».com« und ».net« ist dies die US-amerikanische Firma Verisign. Diese Verwalter dürfen ihre TLDs dahingehend nutzen, dass sie sogenannte Second-Level-Domains (SLD) verkaufen oder vermieten. Durch den SLD-Namen kommt nun die Adresse einer Website zustande, zum Beispiel »google.com« oder aber auch »google.de«. Gibt man also die ».com«-Adresse in einen Web­browser ein, sagt man diesem eigentlich: »Schaue bitte bei der Registrierungsstelle für ›.com‹ nach, welche IP-Adresse der Server hat, der als Google dort registriert ist, gehe dann zu dieser IP-Adresse und zeige mir die dort hinterlegte Seite an.«
Nun kann nicht jeder einfach so einen solchen Registrierungsserver hinstellen und sagen, dieser verwalte nun den Adressraum für die neue TLD ».allesmeins«. Denn auch dieser Registrierungsserver muss ja erst einmal bekannt sein. Der anfragende Computer muss irgendwo herausfinden, wo die Registrierungen zu ».allesmeins« nachzuschlagen sind. Im gesamten Internet gibt es 13 Server, die diese Daten für die offiziellen TLDs vorhalten. Was auf so einem »Root-Nameserver« an offiziellen TLDs vorgehalten wird, bestimmt die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (Icann), eine Nonprofit-Organisation, die neben den Rechten für die TLDs auch die IP-Adressenblöcke verwaltet. Bisher sträubte man sich dort sehr, was die Zulassung neuer TLDs betrifft – neue Domains wurden immer nur sehr zögerlich eingeführt. 1 400 neue TLDs auf einmal werden nun an Antragsteller freigegeben, eine beachtliche Zahl im Vergleich zur bisherigen Vergabepolitik. Bis die 22 generischen TLDs und die 256 länderspezifischen erlaubten Endungen nun jedoch tatsächlich aufgestockt wurden, hat es mehr als ein halbes Jahrzehnt gedauert.

Begonnen hat der Prozess schon 2008 – mit dem Beschluss der Icann, ein Registrierungsverfahren für neue TLDs zu definieren. Allein das Erstellen und das Akzeptieren der Regeln für dieses Verfahren dauerte drei Jahre. Probleme gab es bei der Frage, wie sichergestellt werden könnte, dass die Antragssteller auch in der Lage sind, die Verwaltung einer neuen TLD zuverlässig zu übernehmen. Denn wenn der Verwalter einer TLD beispielsweise pleitegeht und dessen Verwaltungsserver für das Domain Naming System (DNS) abgeschaltet wird, wären alle dort registrierten Domain-Namen nicht mehr zu erreichen, weil die Zuordnung zur IP-Adresse des Servers fehlt.
Deshalb behält sich Icann vor, zu prüfen, ob die neue TLDs beantragenden Firmen den Betrieb einer solchen Domain Name Registry finanziell und fachlich leisten können. Eine solche Überprüfung ist teuer. Sie bedarf des Einsatzes von Spezialisten und braucht vor allem viel Zeit. Deshalb enthalten die Regeln für das Vorschlagen einer neuen TLD auch eine finanzielle Hürde. Um sich an den Kosten des Screenings zu beteiligen, muss jede Firma, die sich um die Verwaltung einer neuen TLD bewerben will, 185 000 Dollar auf ein spezielles Icann-Konto einzahlen.
Trotz dieser Kosten gab es deutlich mehr Anträge als zunächst erwartet. Von einigen Hundert Bewerbern war man ursprünglich ausgegangen, in der ersten Welle gingen aber bei der Icann fast 2 000 Anträge ein. Da jedoch einige Vorschläge von mehreren Unternehmen eingereicht wurden, resultieren daraus die jetzt freigegebenen 1 400 TLDs, von denen aber nur weniger als 200 bisher in Betrieb genommen worden sind – inklusive der im Testbetrieb, denn nicht alle davon sind bereits nutzbar.
Die Hoffnung aber, dass sich durch die vielen neuen Endungen jeder endlich die absolut passende Domain sichern kann und man nicht mehr auf sehr phantantasievolle – und vor allem zahlreiche Buchstaben enthaltende Ausweichbezeichnungen setzen muss, könnte sich sehr schnell als trügerisch erweisen. Zum einen sind viele der neuen TLDs nicht unbedingt für einen repräsentativen Namen tauglich (wie zum Beispiel ».guru« oder ».kitchen«), zum anderen richten sich viele lediglich an ein bestimmtes Berufsbild: Wer außer einem Klempner möchte schon unter ».plum­ber« firmieren? Damit bleiben für die Verwendung von diesen 1 400 verschiedenen Möglichkeiten letztlich doch nur einige wenige übrig, die wirklich für ein Domain taugen.
Ein weiteres Problem taucht beim Markenschutz auf. Denn Firmen wollen meistens ihre Namen und ihre Marke selbst als Domains unter Kontrolle haben. Bisher registrierten sie einfach ihre Internetadressen bei den internationalen generischen TLDs und den entsprechenden Institutionen für die Länder, in denen sie vertreten waren. Bei den neuen TLDs kann das zu einer ziemlich großen Belastung werden – vor allem, wenn jemand anderes schneller war und man vielleicht auf Herausgabe klagen muss. Doch auch in diesem Bereich gibt es eine Neuerung. Man kann den eigenen Markennamen bei der Icann in eine zentralisierte Datenbank eintragen lassen – für 150 Dollar. Damit sind dann diese Markennamen bei allen TLDs für eine Registrierung von dritten gesperrt. So wird das Domain »google.guru« mit Sicherheit nicht an einen SEO-Spezialisten vergeben werden – aber genau das wird dazu führen, dass es auch bei den vielen neuen Domains gleich wieder eng wird.
Für alle bedeuten die neuen TLDs, dass man sich umgewöhnen muss. Bei den Angaben der Internet-Adresse hinter dem letzten Punkt wird es lang werden – und zwar deutlich länger als die bislang gewohnten maximal vier Buchstaben. »Xyz.shopping« sieht einfach viel weniger nach einer Internetadresse aus als »xyz.shopping.com«. Diese Neuerung wird langfristig vermutlich eine bessere thematische Fokussierung im Netz ermöglichen, aber erst einmal viele Internetnutzer verwirren, und es ist zu erwarten, dass die alten Endungen so schnell nicht verschwinden werden, sondern eine Weile bei den neuen einfach hinten dran geschrieben werden, so wie heute noch viele das »www.« willkürlich einstreuen, wenn es um irgendwas mit dem Internet geht.
Dass es möglicherweise nicht einfach sein wird, Domains wie ».singles« oder ».bike« zu etablieren, zeigt außerdem ein ganz konkretes Beispiel, nämlich das der seit 2001 verfügbaren TLD ­».info«. Diese hat selbst nach viel Werbung bisher nur etwa acht Millionen Registrierungen. Bei ».com« sind es mehr als 250 Millionen.