Kritik an der Energiepolitik der Bundesregierung

Die Ökonomie der Energie

Unter dem Schlagwort »Energiewende retten!« ruft ein Bündnis zu Demonstrationen am 22. März auf. Nicht nur Klimaschützer und Atomkraftgegner sind beteiligt und kritisieren die Bundesregierung. Auch Unternehmen und Verbände der Branche der erneuerbaren Energien haben Angst um ihre Zukunft.
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Für die erneuerbaren Energien (EE) steht einiges auf dem Spiel. Sigmar Gabriel (SPD) ist als neuer Wirtschafts- und Energieminister für die Reform der Förderung von Wind, Photovoltaik und anderen erneuerbaren Energien zuständig. Bis zum Sommer sollen die neuen Gesetze auf den Weg gebracht werden. Das bedeutet Überstunden im neuen Wirtschafts- und Energieministerium, das nun federführend für die Reform verantwortlich ist. Seit dem Antritt der Großen Koalition ist für wichtige Themen im Bereich der regenerativen Energieträger nicht mehr das Umweltministerium zuständig. Die Richtung ist bekannt: Erneuer­bare Energien seien »erwachsen« geworden und müssten nun auch »Verantwortung« auf dem Strommarkt übernehmen. Nach den vorliegenden Entwürfen zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sollen die Anlagenbetreiber erneuerbarer Energien mehr Risiken tragen. So meint der Vorstandsvorsitzende von BASF, Kurt Bock, in einem Beitrag für die FAZ, die »Erneuerbaren müssen endlich aus dem Streichelzoo der risikolosen Profite in den Markt entlassen werden«. Den Betreibern der Anlagen, die erneuerbare Energie produzieren, wurden bisher durch die Einspeisevergütung für 20 Jahre ein fixer Preis für jede produzierte Kilowattstunde und somit sicheren Renditen garantiert. Diese Zeiten sollen nun vorbei sein.

Ein Grund dafür sind die hohen Strommengen aus erneuerbaren Energien, die in Deutschland bereits ein Viertel des verbrauchten Stroms ausmachen. Die Anteile der anderen Energieträger wie Steinkohle, Braunkohle und Gas sanken dementsprechend. Dies setzt die großen Energiekonzerne immer mehr unter Druck. Die große Menge an erneuerbarem Strom kostet aber auch die Verbraucher einiges. So bezahlen Haushalte und Unternehmen im laufenden Jahr etwa 23,5 Milliarden Euro für die Einspeisung von EE-Anlagen. Ungefähr sechs Cent pro Kilowattstunde muss dafür jeder nicht begünstigte Verbraucher bezahlen, um die erneuerbaren Energien zu finanzieren, da diese bisher weitgehend nicht mit den Marktpreisen mithalten können. Genau diese Milliarden haben die Anlagen für erneuerbare Energien ­jedoch zu Technologien gemacht, die nun vergleichsweise günstig Strom bereitstellen können. Damit hat die fixe Einspeisevergütung durch das EEG der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2000 ein wichtiges Ziel erreicht. Durch das Umlagesystem und die jahrelange Förderung mit stabilen Abnahmepreisen konnten Unternehmen vor allem Wind- und Photovoltaikanlagen verbessern, die Produktion optimieren und günstiger anbieten. Weltweit wurde deshalb auch mehr in die regenerativen Energien investiert, was dem globalen Klimaschutz zugute kommt.
Angesichts der milliardenschweren Förderung wurde vor allem im Bundestagswahlkampf eine Debatte über die Kosten der zukünftigen Einspeisevergütung geführt. Während von Union und Wirtschaftsverbänden auf die hohen Kosten der EE-Förderung hingewiesen wurde, kritisieren die Umweltverbände die ausufernden Ausnahmeregelungen für Industrieunternehmen, die von der EEG-Umlage für den von ihnen bezogenen Strom befreit werden. Wegen der verminderten Zahlungen der Industrie auf das EEG-Konto müssen Verbraucher und weniger große Betriebe umso mehr bezahlen, um die derzeit über 20 Milliarden Euro pro Jahr zusammenzubekommen. Das grüne Milieu fordert von der Regierung deshalb, die Ausnahmeregelungen für die energie­intensive Industrie zu reduzieren. Dies würde mehrere Milliarden Euro pro Jahr einbringen und die privaten Haushalte erheblich entlasten.
Die derzeit hohen Strompreise sind jedoch nicht nur auf den Anstieg der EEG-Umlage zurückzuführen, mit der die Stromverbraucher die Technologien der erneuerbaren Energien subventionieren. Einen großen Teil des Haushaltsstrompreises machen Steuern und Abgaben, unter anderem für das Stromnetz, aus. Deshalb gab es auch einige Stimmen aus unterschiedlichen Parteien, die sich für eine Senkung der Stromsteuer einsetzten, um eine schnelle Entlastung der Verbraucher zu erreichen. Dies würde jedoch den Anreiz zum Einsparen von Strom wieder vermindern.
Gabriels Reform scheint sich an keinem der beiden Vorschläge zu orientieren. Der Minister ist eher damit beschäftigt, ein neues Förderdesign für die erneuerbaren Energien zu gestalten. Ein wichtiger Bestandteil ist die verpflichtende Einführung der Direktvermarktung als Alternative zur bisherigen Einspeisevergütung. So sollen EE-Anlagen keinen fixen Einspeisetarif für jede Kilowattstunde mehr erhalten, sondern ihren Strom direkt vermarkten. Dies bedeutet, dass jeder Windanlagenbetreiber seinen Strom am Markt verkaufen muss. Die Differenz zwischen dem monatlichen Durchschnittspreis für Windstrom und dem eigentlichen Einspeisetarif, den der Anlagenbetreiber bekommen hätte, erhält der Betreiber jedoch zusätzlich. Dieses System schafft Anreize für Anlagenbetreiber, Strom nicht zu produzieren, wenn ein Überangebot etwa durch viel Sonneneinstrahlung oder eine hohe Auslastung der Windräder besteht. In eben diesen Situationen haben Wind- und Photovoltaikanlagen im bisherigen Einspeisetarifsystem keinen Anreiz, nicht zu produzieren. Sie erhalten ihren Einspeisetarif immer, auch wenn der Strom gerade nicht gebraucht wird. Grundsätzlich soll diese Regelung jedoch nur für die zukünftigen Neuinstallationen gelten. Parteiübergreifend wird der Bestandsschutz der bestehenden EE-Anlagen nicht in Frage gestellt.

Ein weiterer Bestandteil der Reform ist die Ausschreibung von erneuerbaren Energien. Gabriels Ministerium will mit diesem Verfahren in der laufenden Legislaturperiode erste Erfahrungen im Bereich der Photovoltaik sammeln, um es eventuell in einigen Jahren flächendeckend umzusetzen. Hierbei werden Mengen an Strom zum Beispiel in Kilowattstunden oder auch installierter Leistung, das heißt in Kilowatt pro Jahr, ausgeschrieben. Die günstigsten Bewerber bekommen anschließend den Zuschlag und müssen die entsprechenden Kapazitäten ausbauen. Dies ermöglicht, dass die Regierung sehr genaue Vorgaben zum Ausbau der erneuerbaren Energien machen kann. Der von EE-Skeptikern kritisierte unkontrollierte Ausbau fände damit ein Ende. Auch beendet der Staat damit die bisherige Abschätzung geeigneter Einspeisevergütungssätze in Cent pro Kilowattstunde für jede Technologie.
Obwohl vielen liberalen Ökonomen die Reformvorschläge des Ministers nicht weit genug gehen, da sie einen Ausstieg aus der Förderung favorisieren, gefährden die Reformschritte das bisherige Modell der Energiewende grundlegend. Genau das will ein großer Teil von Unternehmern und Regierung aber auch. So steht in Frage, inwiefern unter den neuen Regelungen EE-Anlagen von Bürgern und kleinen Unternehmen, zum Beispiel mit Hilfe von Genossenschaften, betrieben werden können. Die höheren Risiken und unsicheren Erträge drücken wahrscheinlich die Renditen. Ein Resultat wäre ein langsamerer Ausbau. Die Große Koalition will aber gerade auch die bisher im EEG festgehaltenen Mindestziele für den Ausbau abschaffen und klarere Ziele festlegen. Demnach sollen bis zum Jahr 2025 die erneuerbaren Energien 40 bis 45 Prozent der Stromversorgung ausmachen. Damit erfüllt die Regierung nicht nur den unter anderem bei großen Energieversorgern vorhandenen Wunsch nach mehr Planungssicherheit, sondern auch nach einem verlangsamten Ausbau im Vergleich zu den früheren Zielen.

Klimaschützer und Unternehmen der Branche befürchten daher zu Recht eine verlangsamte Umgestaltung des Energiemarkts und plädieren für ambitioniertere Ziele. Eine wichtige Forderung, die auch im Aufruf der geplanten Demons­trationen zu finden ist, die am 22. März in sieben Landeshauptstädten stattfinden sollen, ist die nach dem mittelfristigen Ausstieg aus der Kohleenergie, vor allem aus der Braunkohleverstromung. Dieser heimische Energieträger ist wegen hoher Treibhausgasemissionen deutlich klimaschädlicher als beispielsweise Erdgas, die beliebteste Brückentechnologie aus der Sicht der Energiewendeunterstützer. An der Kohle scheiden sich jedoch die Geister. Umweltschützern gilt gerade die Verfeuerung von Braunkohle als besonders klimaschädigend. Andererseits ist sie für viele Politiker und auch Gewerkschaften vertei­digenswert. Die Tagebau- und Kraftwerkspläne für die Braunkohle in der aus Sicht von Kraftwerksbetreibern nahen Zukunft der Jahre 2025 und 2030 betreffen teilweise auch strukturschwache Regionen. So ist beispielsweise die Brandenburger Lausitz nicht gerade gesegnet mit finanzstarken Investoren und Unternehmen. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers von der Linkspartei setzt auf Braunkohle, er wird von Umweltverbänden und auch in der eigenen Partei dafür kritisiert. Während auch einige linke Wirtschaftspolitiker einen Bedarf an Kohlekraftwerken für die kommenden Jahrzehnte sehen, geht anderen der Abschied von der Kohleenergie nicht schnell genug. Wie genau solche Regionen an der Energiewende beteiligt werden könnten und wie eine undogmatische linke Energiepolitik aussehen könnte, scheinen viele Umweltverbände aber auch nicht zu wissen.