Wie werde ich eigentlich: Diktator?

Wer darüber nachdenkt, diesen Job zu ergreifen, sollte erst einmal schauen, was der eigene Vater beruflich macht. Ist der schon Diktator, sind die Tore zum gleichen Job weit geöffnet, denn er ist in aller Regel vererbbar. Doch es gibt auch Möglichkeiten für Quereinsteiger, deren Karriereweg ist allerdings sehr steinig. In diesem Fall bietet sich eine wie auch immer geartete Staatskrise an, um den Berufswunsch zu erfüllen.
Eine oft unterschätzte aber wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste Eigenschaft für einen erfolgreichen Diktator ist Empathie. Das wollen viele nicht wahrhaben, denn es ist einfacher, Diktatoren als gefühlsarme Psycho­pathen zu sehen. Stimmt aber nicht. Man braucht unbedingt Einfühlungsvermögen, sowohl in die Feinde, im Normalfall bestehend aus dem Volk und anderen Staaten, als auch in die Freunde und die Familie – auch im übertragenen Mafia-Verständnis des Begriffs »Familie«. Man muss wissen, wie man den einen am sinnvollsten quälen und gleichzeitig die anderen mit einer möglichst phantasievollen Vision einer besseren Zukunft einlullen kann. Das könnte ein zu erwartendes Paradies sein, das Versprechen, möglichst viele »Feinde« umzubringen oder die Vortäuschung von mehr Landbesitz. Neben der Illusion zukünftigen Reichtums ist auch die Verheißung, dass die Kinder oder Enkelkinder satt sein werden, erfolgsversprechend. Da braucht es eben Fingerspitzengefühl, um genau herauszufinden, wonach es so einem Volk am meisten dürstet. Ist es Vergeltung, Essen oder Gott? Auf der anderen Seite muss ein Diktator Empathie besitzen, um seinem Clan das Richtige zu geben. Ist dieser Onkel ein Sadist und wird deswegen Geheimpolizeichef oder ist er der Vielfraßtyp und bekommt darum den Posten des Landwirtschaftsministers? Will diese Schwägerin Macht oder begehrt sie Ruhm? Versucht dein älterer Bruder, dich zu übertrumpfen? All diese Fragen wollen sorgfältig abgewogen und entschieden werden. Das geht nicht ohne Empathie, sonst bist du ganz schnell ein geschasster Diktator.
Wichtig ist, sich mit sehr viel Prunk zu umgeben, man sollte auf keinen Fall vergessen, mehrere Villenanlagen anzulegen, am besten in Sichtnähe zu Armutsquartieren. Gerade im Hinblick auf eine zukünftige Landesflucht solltest du daran denken, wie enttäuscht ein Volk nach deinem Sturz sein kann, wenn es deine Paläste stürmt und da ist nix Großartiges. Also: Unbedingt Krokodile, goldene Tellerschränke und diamantenbesetzte Sockenhalter anschaffen! Jeder Mensch, der den Jobwunsch Diktator hat, sollte sich trotzdem im Klaren darüber sein, dass dieser Beruf nicht unbedingt auf Lebenszeit angelegt ist. Viele Diktatoren müssen umschulen und da sind die Möglichkeiten dann ziemlich begrenzt.