Das Medium

Neue Knalltüten

So ändern sich die Zeiten: Vor rund 15 Jahren galten AOL-User als so ungefähr das Knalltütigste, was einen Internetanschluss hatte, schließlich bestand für die Mehrheit der Nutzer von America Online dieses Internet einfach bloß aus den Inhalten der AOL-Seiten, weil sie gar keine Ahnung hatten, dass es auch andere Webpages gab.
Mittlerweile verbringen durchschnittliche Internet-Nutzer den Großteil ihrer Zeit auf den Seiten von Facebook, Twitter und Co. Man schaut sich nicht mehr die Hauptseite eines Nachrichtenportals an oder benutzt gar eine Suchmaschine, sondern liest das, was in der Timeline oder auf der Startseite von Kontakten geteilt wird. Klickt man bei Facebook einen geteilten Artikel an, bekommt man seit ein paar Monaten unter den Kommentaren ähnliche Artikel zum Thema eingeblendet. Welche Artikel das sind, entscheidet ein Algorithmus auf den Facebook-Servern nach Komponenten wie Schlüsselworten und Popularität eines Artikels. Dabei ist die Quelle des Artikels völlig egal und es gibt auch niemanden, der überprüft, was empfohlen wird. Ein bekanntes Beispiel ist ein Artikel über ein Treffen zwischen Michelle Obama und einem zehnjährigen Mädchen mit arbeitslosem Vater. Die Empfehlungen von Facebook unter dem ­Titel »ähnliche Artikel« umfassten höchst obskure Veröffentlichungen über Michelle Obamas angebliches Sexleben. Richtig unangenehm wird es, wenn man mit seinen Freunden einen kritischen Artikel über wichtige Themen teilt und darunter gleich ein Nazilink erscheint. Für den im April angekündigten Dienst Newswire hat Facebook sich den Partner Storyful geholt. Storyful soll Falsch­nach­rich­ten aussortieren, aber eben nur für FB Newswire. Die Artikelempfehlungen werden dagegen ausdrücklich weiterhin nicht auf ihre Inhalte geprüft.