Die Proteste von Flüchtlingen in Berlin gehen weiter

Hungern gegen Ignoranz

Nachdem die Flüchtlinge vom Berliner Alexanderplatz ihren Hungerstreik aufgegeben hatten, bemühten sie sich vergeblich um Kirchenasyl.

»Wir sind Menschen, genau wie ihr. Und wir wollen die gleichen Rechte wie ihr. Wir wollen unter den gleichen Bedingungen leben wie ihr.« Diesen »Aufruf an die Zivilgesellschaft« richtete eine Gruppe von Geflüchteten, die sich »Asylum Rights Evolution« nennt. Am 3. Mai begann an der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz in Berlin ihr Hungerstreik, mit dem sie ein Bleiberecht und Korrekturen des Asylrechts einforderten. Doch die Polizei genehmigte nur einen für die Protestierenden ungünstigen Platz vor der Kongresshalle. Der Ort ist zugig und die Zahl der Passanten ist gering. Gravierender aber war, dass die durch ihren Hunger- und Durststreik geschwächten Menschen an einen Ort verwiesen wurden, an dem sie rund um die Uhr dem Lärm und den Emissionen einer vielbefahrenen Straße ausgesetzt waren. Obwohl sich der Gesundheitszustand der Menschen nach Beginn ihres Durststreiks verschlechterte, beteiligten sich an zwei Kundgebungen vor dem Bundesinnenministerium nie mehr als 70 Menschen. Am Sonntag brachen die Flüchtlinge ihren Hunger- und Durststreik ab und wollten im Rahmen des Kirchenasyls weiter für ihre Forderungen kämpfen. In der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sei ihnen allerdings mit der Polizei gedroht worden, so die Flüchtlinge, die daraufhin vor dem Gebäude ihr Nachtlager aufschlugen.

Der Verlauf des Protests machte deutlich, dass von einer Solidaritätsbewegung für Geflüchtete, wie es sie in den letzten Monaten in Hamburg gab, in Berlin nicht die Rede sein kann. Selbst als sich der Gesundheitszustand einiger Hunger- und Durststreikender verschlechterte, blieb der Kreis der Unterstützer klein. Nach der Räumung des Camps auf dem Kreuzberger Oranienplatz hat das antirassistische Engagement nachgelassen. Am Abriss der Zelte hatten sich einige Flüchtlinge selbst beteiligt und Unterstützer und Aktivisten, die auf dem Platz bleiben wollten, beschimpft und teilweise tätlich angegriffen. Eine Gruppe von Geflüchteten, die seit der Räumung des Camps am 8. April auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes campiert, war erst vorige Woche mit einem Polizeieinsatz konfrontiert worden. Dabei wurden sämtliche Gegenstände beschlagnahmt, die nicht bei einer »Ansammlung unter freien Himmel« erlaubt sind. Lediglich eine Decke, ein Kissen und einen Schirm pro Person durften sie behalten. Wie die Taz berichtete, hatte sich bereits Mitte März ein fünfköpfiges Gremium unter dem Vorsitz der Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), darauf geeinigt, dass eine Inanspruchnahme öffentlicher Grünflächen nicht mehr geduldet wird, wenn sie nicht durch das Versammlungsrecht oder eine Sondernutzungserlaubnis gedeckt ist.

In der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung monierten Abgeordnete der Linkspartei vorige Woche, damit werde gegen eine »jahrzehntelange Tradition politischen Ungehorsams« in Fried­richshain-Kreuzberg vorgegangen. Herrmann empörte sich über die Weitergabe der »Verschluss­sache«. Die Unterstützer der Geflüchteten sowie die Grünen in Kreuzberg werden nicht nur von der rechten Boulevardpresse angegriffen. Auch der Historiker und ehemalige Linke Götz Aly attackierte sie in einen Kommentar in der Berliner Zeitung für ihre Unterstützung und Toleranz der Flüchtlingsproteste. Die bundesdeutsche Flüchtlingspolitik wird von Aly hingegen nicht kritisiert.