Rechte Hooligans gegen Salafisten

Revival mit neuem Feind

Seit einigen Monaten schließen sich verfeindete Nazi-Hools zusammen, um gemeinsam gegen Salafisten vorzugehen.

Noch vor etwa drei Jahren schien es, als sei die Zeit der Hooligans im deutschen Fußball abgelaufen. In den Kurven dominierten allerorten die Ultras das Geschehen, auch für den Nachwuchs waren sie meist attraktiver als die im Schnitt deutlich älteren Hooligans. Im Laufe der vergangenen beiden Jahre ist es jedoch zu einem Revival des Hooliganismus in Deutschland gekommen. Was der Auslöser dafür war, lässt sich nicht genau sagen, aber es liegt nahe, einen Zusammenhang mit dem Scheitern der gemäßigten Fankultur beim Thema Pyrotechnik zu vermuten. Zumindest stieß deren Kompromissbereitschaft bei Verbänden und Politik überwiegend auf taube Ohren. Für die an Gesprächen weniger interessierten Teile der Fanszene galt dieses Scheitern als erneuter Beweis dafür, dass Reden ohnehin nichts bringe und Ziele am ehesten durch Stärke erreicht werden.

In der Folge drifteten manche aus der Szene der Ultras in Richtung Hooliganismus. Die Hooligans und ihre Gewalt erschienen ihnen wohl als Sinn stiftende Alternative. Man könnte einwenden, das Kerngeschäft des klassischen Hooliganismus, also die Körperverletzung im gegenseitigen Einvernehmen, sei eher ein Problem der Krankenkassen und könne den meisten anderen ziemlich egal sein. Oft bleibt es jedoch nicht bei diesen heutzutage zumeist abseits des Fußballs stattfindenden Schlägereien.
Die Hooliganszene in Deutschland hat ihren Ursprung in den achtziger Jahren, damals waren die Fankurven in der Bundesrepublik und in zunehmendem Maße auch in der DDR rechts dominiert und oft sogar mit aktiven Neonazikadern gespickt. Etliche der noch heute aktiven Gruppen entstanden in dieser Zeit, daher verwundert es kaum, dass viele von ihnen politisch deutlich nach rechts tendieren. Das gilt beispielsweise für die »Borussenfront« in Dortmund, die »Wannseefront« bei Hertha BSC, die »Alten Kameraden« in Braunschweig und die »Standarte Bremen« beim SV Werder.
In den vergangenen Wochen machte ein bereits wieder geschlossenes geheimes Internetforum mit dem Titel »Weil Deutsche sich’s noch trauen« Schlagzeilen, in dem sich mehr als 300 Hooligans aus verschiedenen Teilen der Republik zusammengeschlossen hatten und über mögliche Aktionen gegen jene diskutierten, die sie als ihre Feinde identifizieren. Größtes Feindbild der rechten Hooligans scheint der Islam zu sein, seit Anfang des Jahres kam es mindestens zweimal zu organisierten Aktionen von der Nutzern des Forums.

Am 8. Februar störte eine Gruppe von etwa 150 Personen, unter denen sich auch etliche Hooligans befanden, eine Kundgebung des islamis­tischen Predigers Pierre Vogel in Mönchengladbach. Es wurden Flaschen und Feuerwerkskörper geworfen. Sechs Wochen später, am 23. März in Mannheim, waren es dann sogar 200, die erneut eine Veranstaltung des Salafisten Vogel störten. Verblüffend daran war, dass dort verfeindete Hooligans miteinander auf die Straße gingen. Unter anderem sollen Hooligans aus Mannheim, Kaiserslautern, Frankfurt, Karlsruhe und Stuttgart vor Ort gewesen sein.
Zumindest in Mönchengladbach waren in der Gruppe der Störer auch mehrere Fahnen der German Defence League (GDL) zu sehen, einem Zusammenschluss aus dem Umfeld des Counter-Jihad, der seit mindestens 2010 besteht und schon öfter bei islamfeindlichen Veranstaltungen in Erscheinung getreten ist. Vorbild der GDL ist die English Defence League (EDL), die 2009 in der britischen Hooligan-Szene entstanden ist. Ob und inwiefern auch die GDL tatsächlich Verbindungen zur Hooligan-Szene hat, ist noch immer unklar. Zwar hat die zentrale Seite der Gruppierung auf Facebook über 8 000 Likes. Offline kamen jedoch meist höchstens zwei Dutzend von ihnen zusammen, von denen die wenigsten auch nur ansatzweise dem körperlichen Format der Hooligan-Szene entsprachen.

Tatsächlich scheint die Nähe beider Szenen eher auf dem gemeinsamen Feindbild Islam zu beruhen. Während rechte Hooligans mit ihren Sympathien für den Nationalsozialismus häufig nicht hinterm Berg halten und zumindest in Dortmund oder Leipzig Kontakte oder Überschneidungen mit der örtlichen Kameradschaftsszene bestehen, steht die GDL eher dem Milieu von Pro Deutschland und dem Weblog »Politically Incorrect« nahe. Als am 29. März in Hannover gegen eine Kundgebung von Vogel demonstriert wurde, protestierten dort Mitglieder der GDL gemeinsam mit solchen von Pro Deutschland und der rechten Lokalpartei »Die Hannoveraner« sowie Anhängern der Identitären Bewegung. Von Hooligans war in der Berichterstattung hingegen nicht die Rede.
In Mannheim dagegen waren es die Hooligans, die für Aufsehen sorgten. Die Rhein-Neckar-Divi­sion der GDL scheint nicht oder zumindest nicht offiziell vor Ort gewesen zu sein. Jedenfalls wird der doch recht medienwirksame Protest weder von ihnen noch von der zentralen Facebook-Seite der Gruppierung auch nur erwähnt, während die Proteste in Hannover und Mönchengladbach lang und breit behandelt werden. Überhaupt bezieht die GDL sich schon in ihren Farben klar auf ein Deutschland in Schwarz-Rot-Gold und nicht auf ein Deutsches Reich in Schwarz-Weiß-Rot. Bei vielen rechten Hooligans sieht das freilich anders aus. So tauchte 2012 ein Video auf, auf dem Mitglieder der Gruppe »Nordsturm Brema«, kurz »NS HB«, bei einem offensichtlich verabredeten Kampf in einem Waldstück T-Shirts mit aufgedruckten Hakenkreuzen trugen. Von der »Borussenfront« aus Dortmund gibt es Aufnäher in Schwarz-Weiß-Rot mit Keltenkreuz, und die Gruppe »Division Duisburg« druckte T-Shirts, auf denen neben dem Motto »Ruhm Ehre Duisburg« auch ein SS-Totenkopf zu sehen war.
Die Stärke dieser Hooligan-Gruppen besteht darin, dass sie im Gegensatz zur GDL oder den Identitären im wahrsten Sinne des Wortes schlagfertig sind. Insofern ist es eine durchaus beunruhigende Nachricht, dass es inzwischen, wie Spiegel Online, die Frankfurter Rundschau und andere Medien Anfang Mai berichteten, ein neues geheimes Forum geben soll, in dem möglicherweise bereits weitere Aktionen geplant werden.
Die Kundgebungstour des Salafisten Vogel ist im Übrigen noch nicht beendet, allein für Juni sind sechs Auftritte in deutschen Städten geplant. In mehreren von ihnen, allen voran in Aachen und Bremen, gibt es fest etablierte Hooligan-Strukturen mit deutlichem Drall nach rechts.