Die neue palästinensische Einheitsregierung von Hamas und Fatah

Die neue palästinensische Einheit

Die Palästinenser in der Westbank und Gaza haben eine neue Einheitsregierung. Israel steht mit seiner Absage an die ­Hamas alleine dar.
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Die Bundesregierung begrüßt die Einigung von Fatah und Hamas. Die USA wollen mit der neuen Einheitsregierung zusammenarbeiten und überweisen, ebenso wie die EU, auch weiterhin enorme Finanzhilfen. Nur die israelische Regierung ist absolutely not amused. Die am Montag voriger Woche vereidigte, demokratisch durch nichts legi­timierte Übergangsregierung aus »neutralen« Ministern, die weder der Hamas noch der Fatah angehören, soll sechs Monate im Amt bleiben. Dann sind Wahlen vorgesehen. Bis dahin sollen, sagte Mahmoud Abbas, der Präsident der Autonomiebehörde, alle bisherigen Abkommen mit Israel Bestand haben, auf Gewalt werde man verzichten. Wenn das so kommt, wäre das für die völlig abgewirtschaftete und weitgehend isolierte Hamas ein großes Zugeständnis, denn eigentlich erkennt sie nicht einmal das Existenzrecht Israels an. Daran hat sich nichts geändert. Allerdings verspricht sie sich von dem Deal neue internationale Anerkennung – und Zugang zu neuen Finanzquellen. Die Hamas ist in den vergangenen sieben Jahren für sämtliche Entführungen, Anschläge und rund 10 000 Mörser- und Raketenangriffe aus dem Gaza-Streifen heraus verantwortlich – entweder direkt als Täter oder indirekt als regierende Macht, die dies zuließ. Sie wird als Terrororganisation eingestuft. EU und USA überweisen also Geld an eine Regierung, die von einer Organisation getragen wird, die sie selbst als terroristisch einstufen. Selten musste sich Israel derart alleingelassen fühlen.
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu rief zum Boykott der neuen palästinensischen Regierung auf. Es war ein Rufen in der Wüste. Er sei »zutiefst beunruhigt« über das Verhalten der USA. Frustriert erklärte er: »Es ist in meinen Augen merkwürdig, dass europäische Regierungen, die den Anschlag in Brüssel scharf verurteilen, gleichzeitig vage oder sogar freundlich über die palästinen­sische Regierung mit der Hamas sprechen.« Die, die einem nach dem Leben trachten, sollen nun Partner der eigenen Verbündeten werden? Die Zumutung könnte für Israel kaum größer sein. Dass Israel alle Nahost-Gespräche zunächst für beendet erklärte, ist konsequent. Mit der Hamas gibt es, wie sie selbst immer wieder nachdrücklich betont hat, nichts zu verhandeln. Die Hamas will nur eines: Israel auslöschen.

Allerdings wirkt die Überraschung, die Netanyahu an den Tag legte, naiv. Immerhin nahm seine Regierung bis vor kurzem noch an den von den USA koordinierten Friedensgesprächen teil, die eine Zwei-Staaten-Lösung zum Ziel hatten. Dabei muss doch jedem Beteiligten klar gewesen sein, dass dies nur möglich ist, wenn auch über Gaza gesprochen wird. Eine Zwei-Staaten-Lösung ist ohne eine Einigung zwischen den Palästinensern in der Westbank und Gaza nicht zu haben. Das hätte Netanyahu und dem US-amerikanischen Verhandlungsführer John Kerry natürlich auch vor den Nahost-Konsultationen der vergangenen Monate auffallen können. Dann hätte man sich die nämlich sparen können. Nun offenbart sich deren Irrwitz. Das Problem ist: Es geht nicht mit der Hamas, und es geht auch nicht ohne sie.
Sollte die Einheitsregierung tatsächlich sechs Monate überstehen, was angesichts schon mehrfach gescheiterter Versuche dieser Art als fragwürdig gelten darf, droht das denkbar Schlimmste: dass bei gemeinsamen Wahlen in Gaza und der Westbank die Hamas gewinnt oder nicht mehr ohne sie regiert werden kann. Oder dass sie die Macht auch in der Westbank früher oder später an sich reißt. Das wäre nicht nur für Israel eine schreckliche Nachricht, sondern auch für die Palästinenser im Westjordanland, denen ein islamistisches Hamastan wie in Gaza droht.
Wenn der Glaube an eine Zwei-Staaten-Lösung noch irgendwie aufrecht erhalten werden soll, dann muss sich die Hamas jetzt derart grundsätzlich ändern, dass von ihr kaum etwas übrigbleibt. Zwar ist sie durch ihre derzeitige Schwäche zu Kompromissen genötigt, allerdings wird die Unterstützung der neuen Einheitsregierung ihre Position auch wieder stärken. Ob die neue Einheit wirklich hält oder es zu einem erneuten »Bruderkrieg« kommt, wird man sehen. Sollte das Experiment scheitern, sollte die Hamas an ihrem Vernichtungsprogramm gegen Israel festhalten und die Macht zumindest in Gaza festigen können, dann darf die Zwei-Staaten-Lösung endgültig als gescheitert gelten. Tatsächlich hat dieses Dogma schon viel zu lange den Blick auf den Konflikt verengt und andere mögliche Lösungen gar nicht erst zur Sprache kommen lassen. Es gibt Alternativen. Eine Ein-Staaten-Lösung, in dem Sinne, dass in einem gemeinsamen Staat einfach alle zusammenleben, gehört allerdings nicht dazu. Es wäre das Ende Israels. Aber ein UN-Protektorat Palästina wäre denkbar, ebenso eine Rückgabe der palästinensischen Gebiete an Jordanien und Ägypten, die autonome Regionen einrichten könnten. Oder doch eine Drei-Staaten-Lösung, bei der die beiden palästinensischen Länder einen Staatenbund bilden könnten.

Aber vielleicht kommt ja auch alles ganz anders und nach sechs friedlichen Monaten wird die Hamas einfach ganz demokratisch abgewählt. Gönnen wir uns für einen Moment dieses Übermaß an Optimismus. Allerdings: Bereits am Tag nach der Regierungsbildung schoss ein Mitglied der Fatah an einem Checkpoint in der Nähe von Nablus auf einen israelischen Soldaten und verwundete ihn am Bein. Als die Grenzposten das Feuer erwiderten, wurde der Attentäter getötet. Die Fatah bestritt, dass der Schütze bewaffnet gewesen sei, und bezeichnete ihn als »Märtyrer«. Die Hamas gratulierte dem Helden hingegen offenherzig zu seiner Tat, die eine »natürliche Antwort auf die Verbrechen der zionistischen Besatzung« sei. Sieht sie am Ende so aus, die neue Einheit, als Einheit im Kampf gegen Israel?