Ideologie im Regal

Am Samstag lockte die »Bibliothek des Konservatismus« zum Tag der offenen Tür und zum Dublettenverkauf. Sie hat ihren Sitz in der Fasanenstraße im gutbürgerlichen Berliner Bezirk Charlottenburg. Gegenüber befindet sich das Ludwig-Erhard-Haus. Die Technische Universität ist unweit gelegen. Träger der Bibliothek ist die der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit nahestehende »Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung«. Gegen die »Kulturrevolution von 1968« soll auf »das akademische, intellektuelle und politische Leben der Hauptstadt Einfluss« genommen werden. Der hochgewachsene Leiter, Wolfgang Fenske, gibt an diesem Tag den Türsteher und fragt: »Hängen Sie sich selbst auf?« Er meint aber nur meine Jacke. An der Garderobe sitzt ein Mädchen und wartet brav auf ihren Freund, der sich drinnen umschaut. Er trägt ein T-Shirt des Blocco Studentesco, der Schüler- und Studentenorganisation der faschistischen Casa-Pound-Bewegung aus Italien. Besucher unterschiedlichen Alters bewegen sich zwischen den thematisch sortierten Regalen. Neben Oberbegriffen wie Soziologie wird auch nach »Abendland« und »Paneuropa« sortiert. Insgesamt sollen sich hier 60 000 Bände befinden. Der Dublettenverkauf ist kleiner als gedacht, nur aus ein paar Kartons wird verkauft. Bücher von Carl Schmitt gibt es nicht billig abzugreifen. Dafür kann man das Heftchen »Die Gebirgstruppe« erstehen, aber »nur im ganzen Schuber«. Da ist der Besuch eines Antiquariatsstands auf fast jedem Flohmarkt lohnender. Das versprochene Angebot einer »breiten Auswahl aktueller konservativer Zeitungen, Zeitschriften und Periodika« enttäuscht ebenfalls. Es gibt nur die üblichen Zeitungen, über die bereits die Antifa-Presse umfassend berichtet hat. Insgesamt ist es hier langweilig. Ich setze mich auf mein Fahrrad und radele weiter zum lesbisch-schwulen Straßenfest in Schöneberg. Auf dem »wilden Sofa« und den Bühnen wird mehr geboten.