Talmi

Herzinfarkt

Die Emotionalisierung der gesamten Kommunikation, die Verzierung noch einfachster Botschaften mit Emoticons, Emojis et cetera, soll angeblich dafür sorgen, dass die Botschaft eindeutiger wird: Ironie lässt sich durch Gänsefüßchen signalisieren, eine kumpelig gemeinte Beleidigung erhält durch Grinsesmileys erst ihre heitere Note. Denn angeblich, so heißt es seit ihrer Einführung, werden E-Mails immer missgelaunter aufgenommen, als sie vom Absender gemeint waren, und darum hüllt man den riskanten Schriftverkehr in Lachgesichter, ein Präservativ aus guter Laune. Doch scheint es fast, als hätte das Emoticon als Kommunikationsvereindeutiger seine beste Zeit hinter sich. Dem Gast des Frankfurter Bistros »Moloko-plus« wurde als unverlangte Dreingabe zu Eintopf und Getränk ungefragt ein Herzchen auf den Bierdeckel gemalt. Ohne Kommentar. Der Eintopf wurde kalt, so sehr rätselte ich über die Bedeutung der Hieroglyphe. War das ein Flirt? Wenn ja, von wem? Von ihr? Ein Gruß aus der Küche? War es ein so allgemein gehaltener wie schäbiger Stimmungsaufheller, bekamen also alle Gäste ein Herz? War es Teil des Abrechnungssystems – für jedes Bier ein Herzerl? Weil blanke Striche ja so unpersönlich sind? Und ich der Pinte umso eher ans Herz wachse, je mehr Biere ich konsumiere? War das auf dem Mist ihrer Chefin gewachsen oder auf ihrem Privatmist? Und wenn es ihre Idee war, wie signalisiert sie dann ihrem Partner, dass sie ihn gern hat? Kriegt er auch Herzchen? Bedeutet das aber nicht, dass sie ihn letztlich auch nicht mehr liebt als einen besonders versoffenen Restaurantgast? Weiß sie vielleicht gar nicht, was Liebe ist, ist das Herzlein eventuell Schibboleth einer Getriebenen auf der endlosen Suche nach dem ganz großen Glück? Sie tat mir leid. Ich gab dann extra Trinkgeld.