Berlin Beatet Bestes. Folge 250.

Vergraben und vergessen

Berlin Beatet Bestes. Folge 250. Chor und Orchester Karl-Heinz Loges: Hummel-Hummel Bossa Nova.

Hummel Hummel! … /Hamburg ist ein schönes Städtchen,/weil es an der Elbe liegt./Und in diesem schönen Städtchen gibt es so viel schöne Mädchen./Ja, das glaubt man einfach nicht./Ach, es ist ja so schwer auseinander zu geh’n,/wenn die Hoffnung nicht wär’ auf ein Wieder- Wiederseh’n./Lebe wohl! Lebe wohl!/ Lebe wohl! Auf Wiederseh’n!/Hummel Hummel! … «
Eine so bedeutungslose Platte mit einem so bekloppten Text scheint nicht ganz angemessen zu sein, um mein 250. Kolumnen-Jubiläum für Berlin Beatet Bestes zu feiern. Nicht mal das Cover habe ich, auch im Internet ließ es sich nicht finden. Aber sie passt eben grade doch! Schließlich war es von Anfang an mein Konzept, Platten vorzustellen, die durch das Raster der Popgeschichte gefallen sind, die kein Mensch kennt und niemand braucht. So eine Single ist diese hier ganz sicher. Der Song der A-Seite heißt »Marching in St. Pauli« und wurde von Hans Last alias James Last geschrieben. Es ist nur ein instrumentaler Marsch, komponiert wurde er allerdings, als James Last schon kein Jazzmusiker mehr war und kurz vor seinem kommerziellen Durchbruch stand.
Über Karl-Heinz Loges weiß das Internet nicht viel. In den sechziger Jahren leitete er das Rundfunkorchester des NDR, später schrieb er die Musik für längst vergessene Filme und Fernsehserien wie »Hallo Nachbar«, »Lotterie« und »Tegtmeier klärt auf«. Wie so oft, wenn es um die Karrieren von Künstlern geht, die keine Kultgenres bedienten, fühlt sich niemand mehr verantwortlich für sie, sobald sie in Rente gehen. Ihre ehemaligen Arbeitgeber, Labels und Verlage legen ihr Werk zu den Akten und widmen sich wieder dem Tagesgeschäft.
Natürlich interessiere ich mich auch für diese Musiker, weil ihr Schicksal auch heute noch allen blüht, die nicht richtig berühmt sind. Auch mir. Auch ich frage mich, wer sich in 50 Jahren noch an mich erinnern wird. Im Stillen hoffe ich, dass es dann noch einen Freak wie mich geben wird, der sich die Mühe machen wird, meine Comics noch mal zu verbreiten. Karl-Heinz Loges schaffte es zuletzt vor 14 Jahren mit dem groovigen Titel »It’s Amazing« auf die CD-Compilation »Cut Television Tunes« des Library-Labels Apollo Sound. Library-Music ist Produktionsmusik, die speziell für die Nutzung in Fernsehen, Radio und Film hergestellt wird – quasi Musik von Künstlern mit Festanstellung. Der groovende, beatige Orchester-Sound der Library-Bands war in den retroverrückten Jahren nach der Jahrtausendwende bei Sammlern und DJs beliebt. Da die Originalplatten nie in den regulären Handel gelangten, sind sie zudem selten.
»Hummel-Hummel Bossa Nova« ist zu Recht erfolglos geblieben und wurde nie wiederveröffentlicht. Der Mix aus Easy-Listening-Bossa-Nova und lokalpatriotischem Text funktionierte nur eine Saison lang. Zur Fußball-WM 2014 bekommt sie plötzlich eine ganz neue Bedeutung, diese Mischung aus brasilianischer und deutscher Popmusik.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.