Portugals größte Bank ist pleite

Der Bankrott des Heiligen Geistes

Mit der Aufteilung der portugiesischen Banco Espírito Santo verliert eine der letzten »großen Familien« ihre Macht.

Es ist einer der spektakulärsten Abstürze in der portugiesischen Wirtschaftsgeschichte. In den vergangenen Monaten verlor der Banco Espírito Santo (BES), bis dahin größte Bank des Landes, über drei Milliarden Euro seines Marktwertes an der Börse. Bereits Ende Mai war ruchbar geworden, dass die Holdinggesellschaft Espírito Santo International, zu der auch der BES gehörte, Verluste in Höhe von 1,3 Milliarden Euro verschleiert haben soll. Dies ließ auch Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Banco Espírito Santo aufkommen. Anfang August intervenierte schließlich die portugiesische Zentralbank. Ricardo Espírito Santo Salgado, seit 22 Jahren unangefochtener Direktor des BES, musste seinen Posten räumen und wurde kurze Zeit später wegen Verdachts auf Steuerbetrug und Geldwäsche verhaftet. Nach Zahlung einer Kaution von drei Millionen Euro wurde er wieder entlassen. Die Bank wird nun aufgeteilt. Die faulen Kredite des BES sollen in eine Bad Bank ausgelagert werden. Eigentümer sind die bisherigen BES-Aktionäre, die auch die Verluste tragen. Die vermeintlich überlebensfähigen Geschäftsbereiche firmieren künftig unter dem Namen Novo Banco. Diese Bank erhält kurzfristig rund fünf Milliarden Euro aus Mitteln der »Troika«, um ihren Kapitalbedarf zu decken. Nach der erfolgreichen Umstrukturierung soll die Bank wieder verkauft werden und die investierten Gelder sollen an den Staat zurückfließen. Die bisherige Eigentümerin der Bank, die Familie Salgado, ist in dem neuen Unternehmen nicht mehr vertreten.

Damit endet abrupt eine über 170 Jahre alte Bankiersdynastie, die zusammen mit einer Handvoll anderer einflussreicher Familienunternehmen die jüngere Geschichte Portugals dominiert hat. Der eigentümliche Name der Bank – espírito santo bedeutet »heiliger Geist« – leitet sich vom Firmengründer ab, der als Findelkind von einem Pfarrer auf den Namen José Maria Espírito Santo Silva getauft wurde. Mit 19 Jahren eröffnete er eine kleine Wechselstube, wo er Wertpapiere und Lotteriescheine verkaufte. Seine Erben entwickelten daraus ein Geflecht von Unternehmen, aus denen der Banco Espírito Santo entstand.

Ihren eigentlichen Aufstieg erlebte die Bank in der Zeit des »Estado Novo«, des faschistischen Staats unter António Oliveiro Salazar von Anfang der dreißiger Jahre bis 1974. Der damalige BES-Direktor Ricardo Ribeiro Espírito Santo avancierte zum wichtigsten Finanzberater des Diktators, so dass private und staatliche Interessen bald kaum mehr zu unterscheiden waren. Während des Zweiten Weltkriegs konnte die Bank mit Sitz in einem der wenigen neutralen Staaten Europas ihren Umsatz vervierfachen. Während es Salazar zumindest formal gelang, den Schein der Unabhängigkeit zu wahren, landete die Bank zeitweise auf einer schwarze Liste des britischen Außenministeriums, weil sie mit Nazi-Deutschland geschäftlich verbunden war.
Nach dem Krieg expandierte der BES in die portugiesischen Kolonien Angola und Mosambik, aber auch nach Südamerika. Nachdem die Bank kurz nach der Nelkenrevolution von 1974 verstaatlicht worden war, zog sich die Familie nach Brasilien zurück. Ende der achtziger Jahre leitete der sozialdemokratische Ministerpräsident Mario Soares die Reprivatisierung der Bank ein, die bald wieder zur alten Größe zurückfand.
Unterstützt wurde sie dabei vor allem von der französischen Bank Crédit Agricole. Die Kooperation war ganz im Sinne der damaligen sozialistischen Regierung unter Präsident François Mitterrand, die einen wirtschaftlichen Expansionskurs in Südeuropa verfolgte. Heute gehört die Crédit Agricole, die als Großaktionärin voraussichtlich rund eine Milliarde Euro abschreiben muss, ebenso zu den großen Verlierern der Pleite wie das angolanische Tochterunternehmen des BES. Dieses soll in den vergangenen Jahren Kredite in Höhe von fast sechs Milliarden US-Dollar an Mitglieder der Regierung in Luanda vergeben haben, über deren Verbleib nichts bekannt ist. Diese Verluste trugen dazu bei, dass mit dem BES wohl auch die Epoche des Familienkapitalismus in Portugal endet.