Berlin Beatet Bestes. Folge 255.

Beat auf Hebräisch

Berlin Beatet Bestes. Folge 255. V. A.: »Israeli Beat Girls« (2014).

In der vergangenen Woche checkte ich mal wieder die Neueingänge im Indie-Plattenladen. »Israeli Beat Girls«, der Titel der Compilation-LP, sprach mich sofort an. Ich kaufte sie, ohne vorher reinzuhören. Nur ein kurzer Blick in die Hülle: Keine Linernotes! Der Verkäufer: »Tja, da war leider kein Zettel drin. Musst du selbst im Internet recherchieren.« Zu Hause auf dem Plattenteller: weißes Vinyl. Das ist schick. Allerdings wellt sich mein Exemplar und die Nadel hüpft bei einem Titel. Das Cover dieses Bootlegs ziert eine kleine Illustration, auf dem übrigen Platz macht sich Graphik breit. Soviel zu den Macken der Scheibe. Die Musik auf dieser Platte ist großartig. Kein einziger Song der sehr gelungenen Zusammenstellung israelischer Pop- und Schlagersängerinnen der sechziger Jahre war mir bisher bekannt. Das durchweg beatige und rockende Material war offensichtlich für den israelischen Markt bestimmt und ist leider nie in den restlichen Teil der Welt vorgedrungen.
Also los, ab ins Internet, Informationen suchen. Die einzigen in Deutschland bekannten israelischen Popstars der sechziger und siebziger Jahre waren Esther und Abi Ofarim, Daliah Lavi und Elisa Gabbai, die es mit »Winter in Kanada« 1966 auf Platz 13 der deutschen Hitparade schaffte. Israel nahm 1973 erstmals am Eurovision Song Contest teil. Auf verschiedenen Websites begegne ich immer wieder Fotos und Plattencovern, die ich schon von der Rückseite der LP kenne. Der compiler hat sich offensichtlich ebenfalls hier bedient. Und ich stoße wieder auf Elisa Gabbai, eigentlich Aliza Gabbai, geboren 1933 in Tel Aviv, gestorben 2010 in Los Angeles, die mit »Me’Migdal Shalom«, einem der stärksten Titel auf »Israeli Beat Girls«, vertreten ist. Ihr ist diese Compilation auch gewidmet, Gabbai wird als Pionierin der weiblichen Israelischen Beat-Szene bezeichnet. Gabbais Tochter Daphna Dove, Sängerin der Ambient-Alternative-Band Victoria, wurde 1975 in Deutschland geboren, bevor die Familie in die USA zog. Auf Youtube findet sich ein anrührendes, von ihr editiertes Video: »In Memory of Elisa Gabbai«. Die auf dem Sampler versammelten Songs ihrer Mutter entstanden zwischen 1965 und 1971. Mitten in dieser Zeit fand der am 5. Juni 1967 begonnene Sechs-Tage-Krieg statt – präsent ist der Konflikt jedoch nicht auf dieser LP. Musikalisch erinnert die Mischung am ehesten an osteuropäische Sängerinnen wie die Ungarin Zsuzsa Koncz, die Polin Karin Stanek und die Rumänin Margareta Pâslaru. Auch in Osteuropa waren es Schlagersängerinnen, die Beat machten – sogar noch, als es Ende der Sechziger in Richtung Psychedelic und Progrock ging. Mein Lieblingstitel ist Daliah Cohens souliges »Baruch Motzie Ha’Lehem« aus dem Jahr 1970. Ein echter Dancefloorfiller. Wer mal eine durchweg eingängige Pop-Platte auf Hebräisch hören möchte, dem kann ich diese Zusammenstellung nur empfehlen. Aber kauft euch vorher einen Plattenspieler. Vinyl only!
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.