In der Schweiz wird gegen einen rechtsextremen Internet-Sender vorgegangen

Eine schrecklich organische Familie

Rassistische, antisemitische und frauenfeindliche Nachrichten verbreitete jugend-tv.net bisher. Dass der Internet-Sender nun in Schwierigkeiten steckt, dürfte die Schweizer Sekte, mit der er verbunden ist, nicht beeindrucken.

»Jugend denkt mit« – das ist der Slogan des Internet-Portals jugend-tv.net. Dessen Sendungen richten sich nicht nur an Jugendliche. Moderiert und produziert werden sie angeblich ebenfalls von Teenagern, völlig freiwillig, als sinnvolle Freizeitgestaltung.
Die Ergebnisse sind jedoch dubios. Zum Thema »Globalistische Stammbäume« wusste Moderatorin Elisabeth im April zu berichten, US-Präsident Barack Obama stamme von König Heinrich II. von England und König Wilhelm I. von Schottland ab. Auch Brad Pitt und Angelina Jolie gehören der Moderatorin zufolge zu diesem »Stammbaum«. Das fand Elisabeth »voll krass« und spielte zustimmend auf die Verschwörungstheorie an, nach der alle Mächtigen aus wenigen Familien stammen. Am Schluss gab das Mädchen die Quelle ihrer Informationen an: die Adresse eines Beitrags auf Youtube.

»Voll krass« geht es auch in anderen Sendungen zu. Das Portal hat rassistische, antisemitische und frauenfeindliche Beiträge im Programm. Ein Film behandelt wohlwollend die »eidgenössische Volksinitiative gegen Masseneinwanderung«, deren Forderungen nach einer res­triktiven Einwanderungspolitik in einer Abstimmung im Februar von der Schweizer Bevölkerung angenommen wurden. Eine Moderatorin erzählt von »Leoparden­menschen« in Afrika, die sich in okkulten Riten verwandeln und Menschen töten könnten.
Auch Linke werden zum Gegenstand der Sendungen. So verbreitet jugend-tv.net das Gerücht, dass Gegner des christlich-fundamentalistischen Protests gegen die Sexualerziehung im baden-württembergischen Bildungsplan wahrscheinlich für ihre »Arbeit« bezahlt würden. Ein Charakteristikum des Portals ist die Homophobie, die sich durch die Sendungen zieht, etwa in Form der Propaganda gegen die »Homo-Ehe«, die unter anderem deshalb inakzeptabel sei, weil Kindern die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare »zugemutet« werde. Zum australischen Philosophen Peter Singer wusste jugend-tv.net nicht etwa zu berichten, dass er sich für den Utilitarismus in seiner brutalsten Form und die Euthanasie ausspricht. Es handele sich vielmehr um einen »jüdischen Wissenschaftler«, der die »nachgeburtliche Abtreibung« befürworte. Israel selbst fordere als Entschädigung für den Holocaust Organe für kranke israelische Patienten, sagte ein Junge 2013 in einer Sendung.
In jüngster Zeit wurden einige Medien wie Stern und 20.minuten.ch auf jugend-tv.net aufmerksam und berichteten kritisch. Das Portal selbst bezeichnete die Berichterstattung als »Medienhetze«, fügte aber entschuldigend hinzu, dass Jugendliche eben manchmal nicht so gründlich recherchierten wie nötig. Ende September erhielt jugend-tv.net dann Post. Jugendschutz.net, ein Unternehmen, das im Auftrag der deutschen Kommission für Jugendmedienschutz das Internet beobachtet, drohte dem Portal eine Geldbuße bis zu 500 000 Euro an, sollte sich das jugendgefährdende Programm des Internet-Senders nicht in Kürze ändern.

Mittlerweile sind alle inkriminierten Sendungen des Portals unter Verschluss. Dass nun niemand mehr mit Nachrichten solcher Machart behelligt wird, ist aber unwahrscheinlich. Denn vieles deutet daraufhin, dass jugend-tv.net zum Medienimperium von Ivo Sasek gehört. Auf ivo-sasek.ch wird das Portal prominent präsentiert, Saseks Tochter Anna-Sophia moderiert bei dem Sender. Sasek ist der Gründer der Organischen Christus-Generation (OCG). Die Sekte hält nichts von der »Normaltheologie«, weil diese zu wenig radikal sei. Um seine Lehre zu verbreiten, hat Sasek einen großen Apparat mit einem Filmstudio, Internet-Sendern und einem Verlag aufgebaut. So sendet zum Beispiel Klagemauer TV die gleichen Inhalte wie jugend-tv.net: Conchita Wurst wird beispielsweise bezichtigt, Europa mit ihrer Gender-Ideologie zu manipulieren. Putin gilt wegen des russischen Gesetzes gegen die »Homosexuellenpropaganda« als Vorbild.
Sasek wurde 1956 in Zürich geboren und arbeitete nach einer Lehre als Automechaniker in einer christlichen Einrichtung für Drogenrehabilitation. 1984 gründete er ein eigenes Rehabilitationszentrum mit dem Namen »Obadja« in Walzenhausen in der Schweiz. Die Liegenschaft wurde später als »Panoramazentrum« zum Mittelpunkt von Saseks Aktivitäten als Prediger. Mitglieder seiner Sekte leben vor allem in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich. Saseks treueste Mitarbeiter sind seine Ehefrau Anni und seine elf Kinder. In dieser religiös-rechtsextremen Version der Kelly Family hat jedes Familienmitglied eine eigene Aufgabe, schauspielert etwa für »Panorama-Film«, Saseks Produktionsfirma, singt auf den Shows der OCG, leitet Paartherapien beim »Gemeindedienst«, ist in der Redaktion von Klagermauer TV tätig oder schreibt in der hauseigenen Zeitung. Sasek setzt seine Kinder seit Jahren für Propagandazwecke ein. »Nicht ganz selten schlossen sich Familien der OCG an, weil ihre Kinder von Saseks Kindern angeworben wurden«, sagt Georg O. Schmid von der Sekteninformationsstelle relinfo.ch. Die Gläubigen werden dank des Gebots des »Ganzopfers« zur unentgeltlichen Mithilfe verpflichtet.
Zu seinen Veranstaltungen lädt Sasek illustre Gäste. So begrüßte er auf einem Kongress der von ihm gegründeten »Anti-Zensur-Koalition« 2009 den Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub. Ein anderer bekannter Rechtsextremist trat ein Jahr später bei Sasek auf: Der deutsche Publizist Michael Vogt stellte seinen Film »Geheimakte Hess« vor, eine Exkulpation von Rudolf Hess und Denunziation von Winston Churchill als Verantwortlichen für die Fortführung des Zweiten Weltkriegs nach 1940. Die deutsche Holocaust-Leugnerin Sylvia Stolz hatte 2012 auf einem weiteren Kongress die Ehre.

Der Holocaust scheint für Sasek ein wichtiges Thema zu sein. 2008 gründete er eine »Anti-Genozid-Bewegung/Partei«, um einen »Massenmord« zu verhindern. Denn Sasek befürchtet einen »neuen Holocaust für Christen«. Es bestehe nämlich die Gefahr, dass RFID-Chips bald als Kontrollsystem direkt auf dem Körper angebracht und die Menschen damit gleichschaltet werden könnten. Christen sei es strikt untersagt, ein Erkennungsmerkmal auf der Haut zu tragen, weshalb Saseks Organisation »Genozidvorbeugung« betreibt und gegen biometrische Pässe kämpft. Dass jugend-tv.net in großen Schwierigkeiten steckt, ist für Sasek wohl zu verschmerzen. Schließlich ist sein Imperium groß.